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Plagiatsjäger Stefan Weber im Interview
 
       
       
Stefan Weber

Plagiatsjäger

Gesellschaft
05.01.2024
Mag. Dr. Stefan Weber ist habilitierter Kommunikationswissenschaftler mit Fokus auf Plagiatsgutachten. Durch die Prüfung von wissenschaftlichen Arbeiten und die anschließende Veröffentlichung seiner Ergebnisse hat er sich über die Jahre einen erhöhten Bekanntheitsgrad in der breiten Öffentlichkeit erarbeitet. Denn: Meist zählen hochrangige Politikerinnen und Politiker oder Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur, Wissenschaft oder Wirtschaft zu seinen ausgewählten Fällen. Was ihn antreibt, ob er eine streitbare Persönlichkeit ist, wie man sich seine Arbeit vorstellen kann und warum man »Plagiatsjäger« wird, verrät Stefan Weber im Interview.

Ich war gestern bei einer Ihrer Lesungen. Sie wirkten locker, gelöst und haben sich ausführlich mit dem Publikum ausgetauscht. Kurz gesagt: ein sympathischer Stefan Weber und nicht der Plagiatsjäger mit ernstem Blick, der mit provokanten Sagern für Aufregung sorgt.

Wahrscheinlich zeigt sich, wenn man mich live erlebt, wie sehr meine Wesensart und das mediale Bild von mir auseinanderklaffen können. Vielleicht bin ich in der Hinsicht ein bisserl wie die Karoline Edtstadler. Im TV spricht sie in Hochsprache, aber privat redet sie gerne im Salzburger Dialekt. Als Salzburger Mädel hat sie einen Schmäh, während sie in ihrem Habitus als Politikerin als eiskalte Lady gilt. Bei Strache ist es ja genauso. In Parodien wird er sehr straff und abgehackt imitiert, während er im Ibiza-Video als eher schlichtes Gemüt gezeigt wird, wie man es auch an der Strandbar auf Mallorca oder in einem Bierzelt zu weit fortgeschrittener Stunde erleben könnte. Was ich damit sagen möchte: Dieses Auseinanderklaffen gibt es offenbar bei vielen Personen. Ich habe mich noch nicht wirklich damit beschäftigt, wie ich öffentlich wirke. Woran ich es sekundär erkenne: anhand diverser Postings, wie beispielsweise im »Standard«. Es sind dann Stereotypen, die mir nachgesagt werden. Ich sei ein Gelangweilter, der nichts mit seinem Leben anzufangen weiß. Oder ich sei ein Vernaderer, Anpinkler, Anpatzer und Querulant, weil ich Minderwertigkeitskomplexe habe oder eben doch irgendwie davon leben kann. Im Grunde bin ich für die Leute eine Art Franz Fuchs, der sich nur nicht traut, Briefbomben abzuschicken, sondern den »Großen« und »Mächtigen« durch den Plagiatsvorwurf nähertritt. Dieses öffentliche Bild hat durch diverse Foren radikal zugenommen.
»Im Grunde bin ich für die Leute eine Art Franz Fuchs«

Ihr Buch »Auf ›Plagiatsjagd‹« trägt den Untertitel »Eine Streitschrift«. Streitbar wollen Sie scheinbar sein.

Nein bzw. wäre es wohl sehr unterbewusst! Der Untertitel stammt übrigens nicht von mir, sondern vom Verlag. Er spielt auf eine mögliche Buchserie an, da im vergangenen Jahr auch eine andere »Streitschrift« über den Kulturbetrieb im Verlag erschienen ist.

Mein Vater meinte einmal zu mir, dass ich wie sein Vater, also mein Großvater, sei. Leider konnte ich ihn kaum kennenlernen, da er gestorben ist, als ich sieben oder acht Jahre alt war. Mein Vater war sehr friedliebend, mein Großvater jedoch sehr streitsüchtig, wurde mir berichtet. Er soll auch seinen Job verloren haben, weil er angeblich nicht mit Autoritäten umgehen konnte. Solche genetischen Dispositionen können eine Generation überspringen. Also, wenn ich es zuspitzen darf: Meine aktuelle Freundin meint, dass ich früher oder später jede soziale Beziehung sprenge. Zunächst finde ich jemanden super. Mit der Zeit entdecke ich allerdings Fehler. Und irgendwann fange ich dann an, die Person zu verspotten, weil ich sie nicht mehr ernst nehmen kann. Dann wird es schwierig, weil sich die Person natürlich zurückzieht, wenn ich ihr zu verstehen gebe, dass sie eine Flasche ist. Diese Erfahrung mache ich mit fast allen Menschen, vor allem an Unis. Ich bin sicherlich ein seltenes Exemplar eines Pedanten und würde mir wünschen, dass ich mal einen Menschen finde, der genauso pedantisch ist wie ich. Habe ich bisher aber nicht gefunden.

Einer meiner Interviewpartner, ein Lektor, meinte einmal, dass er ein zwangsneurotischer i-Tüpferl-Reiter sei. Vielleicht würden Sie sich verstehen.

Ich habe sicherlich auch eine zwangsneurotische Störung – bezogen auf Texte. Selbst Unsichtbares, wie mehrere leere Zeilen unter einer Textnotiz, stört mich. So etwas werden Sie bei mir nicht finden.

Sind Sie ein Monk?

Das bin ich schon öfters gefragt worden. Was genau ist das?

Eine Serie, in der ein Polizist auf lauter Details achtet, einen Putzfimmel hat und lauter Fehler, wie bspw. Falten in Kleidung, sofort korrigieren muss. Alles muss in einer Linie stehen und darf nicht unordentlich sein.

So war es einmal bei mir. Meine erste Freundin meinte zu mir, dass sie sich nur in mich verliebt hat, weil ich genauso pedantisch war wie sie. In meiner Studentenwohnung damals war kein Buch über der Regalkante. Mit Kindern hat sich das natürlich geändert, weil man das von ihnen nicht verlangen kann. Als 20-Jähriger war ich in meinen Zwangsstörungen sicher weit stärker gefangen als heute. Ich erinnere mich, dass ich einmal jemanden nicht in meine Wohnung ließ, weil es so aufgeräumt war.

Jemand, der perfekt wirkt, hat doch am meisten zu verbergen. Über die sagen die Nachbarn nach einem Attentat, dass sie immer so freundlich und unauffällig waren. Wenn jemand alles im Griff zu haben scheint, muss man skeptisch sein, oder?

Na ja ... ich habe ja nur meine Umwelt scheinbar im Griff. Meinen Körper nicht, sonst wäre ich nicht so dick. Meine Form der Aufräumstörung bezieht sich also auf Gegenstände. Das habe ich sicher von meinem Vater. Er hat früher mit einem übergroßen gelben Plastikkamm, wie man ihn aus der Faschingszeit kennt, täglich die Fransen an den Enden unserer Perserteppiche frisiert. Wenn er ein Hotelzimmer verlassen hat, war es danach sauberer als davor. Aber auf mich bezogen: Ich stehe nicht lange vorm Spiegel und schau auch nicht 20 Mal, ob eh alles passt. Da lege ich relativ wenig Wert darauf. Eitel bin ich also nicht.

Sie sind immer schwarz gekleidet. Schwarzes Hemd, schwarzes Sakko, schwarze Hose, schwarze Schuhe. Damit sind sie immer adrett gekleidet. Elegant und zeitlos.

Schwarz ist einfach nur bequem. Ich kann alles bei 40 Grad in die Waschmaschine schmeißen und fertig. Früher hatte ich sogar Hemden, die ich nicht mal bügeln musste. Reine Pragmatik! Haushaltstätigkeiten sind mir mittlerweile total verhasst. Schwarz macht schlank. Na ja ... sagen wir es richtig: Schwarz macht etwas weniger dick. Außerdem würde ich in einem roten Pullover komplett lächerlich ausschauen.
Im Interview: Plagiatsjäger Stefan Weber

Gestern bei Ihrer Buchvorstellung haben Sie Plagiate mit Zigarettenrauch verglichen und einen Querverweis auf die Politik bemüht.

Es gibt Dinge, die Politiker wie alle Menschen betreffen. Tempo 30 beim Autofahren, Alkohol, Rauchen und Plagiate, wenn sie Akademiker sind. Politiker tun sich prinzipiell nur schwer mit Umsetzungen, wenn sie selbst davon betroffen sind. Wenn einer jeden Tag mit Tempo 50 durch die Ortschaft fährt, wird dort keine 30er-Zone von ihm eingeführt werden. Und bei Plagiaten ist es genauso. Je weiter weg – sachlich und geografisch – Themen sind, desto leichter fällt es der Politik, Aktivität und Mitgefühl zu heucheln. Je näher es am persönlichen Leben ist, desto schwieriger wird es.

Gehen Sie im Zuge einer Prüfung eigentlich mit jeder Textform gleich hart ins Gericht? Einen einfachen Text für eine Website oder Broschüre kann man schließlich nicht mit Romanen oder wissenschaftlichen Abhandlungen wie einer Bachelor- oder Master-Thesis gleichsetzen, ganz zu schweige von Doktorarbeiten oder Habilitationsschriften. Alle Formen erfüllen unterschiedliche Ansprüche und entstehen teilweise in unterschiedlichen Stadien der eigenen Professionalität.

Dafür gibt es das Kreismodell der Plagiate von mir. Der kleinste Kreis ist das Plagiat als hochschulrechtliches Problem. Das ist der Fall, wenn jemand wesentlich und in sogenannter Täuschungsabsicht plagiiert. Wenn man das feststellt, müsste man den akademischen Grad im Nachhinein aberkennen. Der nächste Kreis ist das Plagiat als wissenschaftliches Fehlverhalten. Wenn ein Professor also in einem Buch plagiiert, ist es kein studienrechtliches Problem. Darüber hinaus gibt es Plagiate als künstlerisches, journalistisches oder religiöses Fehlverhalten. Es gibt Plagiatsvorwürfe gegen Bischöfe, weil voneinander Reden abgeschaut wurden. Im Journalismus gibt es das, bei Patenten, in der Architektur, bei Logos und so weiter. Ich bin also in einem Bereich tätig, der weit über wissenschaftliche Arbeiten hinausgeht. Plagiate sind übrigens völlig vom Urheberrecht losgelöst, da es sich um etwas Moralisches handelt. Es ist ein Verstoß gegen das Zitiergebot und gegen eine gute Praxis – eine wissenschaftliche, künstlerische, journalistische usw. Es ist also keine juristische Kategorie, sondern eine moralische Bewertung.

Sie plädieren für kürzere Abschlussarbeiten im Hochschulbereich, als es aktuell der Fall ist.

Das ist eines der Hauptprobleme! Digitalisierung und Massifizierung sind zwei Makrotrends an den Unis. Wir haben eine völlige Änderung der Arbeitsweisen in den Bereichen Lesen, Recherchieren und Schreiben durch die Digitalisierung. Gleichzeitig werden Arbeiten immer dicker – ein Irrweg! Die kürzeste juristische Diplomarbeit, die ich aus den 90ern kenne, umfasst 15 Seiten. Früher war es Standard, juristische Dissertationen mit 100 bis 150 Seiten zu schreiben. Heute, in Deutschland, wohlgemerkt, sind es 400 Seiten. Das liest doch kein Mensch mehr! Wenn ein Rechtswissenschaftler zehn Dissertanten hat, liest er doch keine 4.000 Seiten. Gar nichts liest der dann mehr! Mein Doktorvater in den 1990ern hat jede Seite meiner Doktorarbeit mit Bleistift korrigiert. Ich dachte damals, dass das Usus in der Wissenschaft sei. Erst später erkannte ich, dass die meisten die Arbeiten gar nicht lesen, was auch Volker Rieble, ein deutscher Jurist, beklagt.

Haben Sie das Gefühl, dass Studierende Sie gerne als Betreuer von Abschlussarbeiten ausgewählt haben, als Sie als externer Lehrbeauftragter an der Uni Wien tätig waren?

Einige waren unglaublich dankbar dafür, dass ihnen endlich jemand reinen Wein eingeschenkt hat. Die große Mehrheit ist, ehrlich gesagt, aber immer geflüchtet. Es gab auch Beschwerden beim Studienprogrammleiter. Eine kleine Gruppe fand mich meist gut und die anderen haben mich gehasst und bekämpft. Wäre ich angestellt gewesen, wäre ich wahrscheinlich rausgeschmissen worden. Ich kann nur hoffen, dass es an den Schulen nicht auch so ist, dass die milden Lehrer gefördert werden und damit eine Nivellierung nach unten stattfindet. Manfred Spitzer, ein deutscher Neurowissenschaftler und Psychiater, hat einmal gesagt: »Die besten Lehrer werden entlassen.« Wer Standards rigoros einfordert, handelt sich Beschwerden ein.
»Wäre ich angestellt gewesen, wäre ich wahrscheinlich rausgeschmissen worden«

Im Podcast »Dunkelkammer« haben Sie im Gespräch mit Journalist Michael Nikbakhsh erläutert, dass es folgende Szenarien gibt, um auf Plagiatssuche zu gehen: Sie interessieren sich persönlich für die wissenschaftliche Arbeit von jemandem. Meist handelt es sich um öffentlichkeitswirksame Fälle, die Sie medial verwerten können. Oder Sie erhalten einen Auftrag – über eine Anwaltskanzlei, weil sich die tatsächlichen Auftraggeber nicht zu erkennen geben möchten, oder direkt, weil jemand die eigene wissenschaftliche Arbeit vorsorglich prüfen lassen möchte.

Die Dreiteilung in Hobbyprüfungen, fremde Prüfungen und eigene Prüfungen stimmt. Letzteres passiert eher selten. Zu den Auftragsarbeiten: Jeder Auftraggeber möchte, dass ich etwas finde, wobei ich nicht mit solchen arbeite, die vorwegnehmen, dass etwas gefunden werden muss. Meine Investigationen sind ergebnisoffen, das steht in jeder meiner Auftragsvereinbarungen. Das heißt, dass man auch zahlen muss, wenn ich absolut nichts finde. Das ist natürlich viel Geld für das Wissen, dass die Arbeit nicht angreifbar ist. Wenn ich aber etwas finde und ich bspw. auf 60 Seiten Plagiate dokumentieren muss, ist es mein berufliches Risiko, dass ich fürs selbe Geld von 2.000 bis 3.000 Euro arbeite. Erfolgsbasierte Prämie gibt es übrigens auch keine, da das meine Arbeit vollkommen verzerren würde. Dann würde ich ja in den Verdacht kommen, dass ich ein Plagiat herbeikonstruiert habe. Mit Geld zu wacheln gibt es in meinem Job nicht. Da geht es um das Ethos! Und zu den ehrenamtlichen Verdachtsfällen, die ich als Hobby betreibe: Ab und an probiere ich, Geldgeber dafür zu finden. Das können bspw. Medien sein, die allerdings kaum noch Geld für solcherlei Dinge haben. Wenn sie doch zahlen, bekommen sie allerdings die Exklusivberichterstattung über den Plagiatsfall.

Wie viel Aufwand ist es denn, solch ein Gutachten zu erstellen? Als Laie stellt man sich vor, dass Sie einfach eine Plagiatssoftware über die zu prüfende Arbeit laufen lassen.

Jede einzelne markierte Stelle der Plagiatssoftware »Turnitin« muss manuell von mir oder meinem Team bewertet werden. Das heißt: Ich muss zig Dinge herausfiltern, die nicht zutreffend sind. Das können indirekte Zitate sein, die nahe am Wortlaut, aber eben vertretbar sind, die ich dann rausstreiche. Daraus entsteht dann ein bereinigtes Protokoll. Und dann bestelle ich die Quellen, gehe in die Bibliothek und mache mich digital weiter auf die Suche, teilweise auch mit einer anderen Software namens »WCopyfind«.

Oftmals werden nach Plagiatsvorwürfen, die Ihrerseits vorgebracht werden, Plagiatsverfahren seitens Universitäten eingeleitet. Das heißt, dass weitere externe Gutachten eingeholt werden, was manchmal auch zur Folge hatte, dass Verfahren eingestellt werden, weil beispielsweise keine Täuschungsabsicht nachgewiesen werden konnte. Handelt es sich dann um unterschiedliche Sichtweisen?

Wir haben in Österreich – hoffentlich nicht überall – ein massives Problem mit der sogenannten Rechtsbeugung. Rechtswissenschaftler neigen dazu, offenbar durch ihr Studium antrainiert, Gesetze unterschiedlich zu interpretieren. Damit in Österreich ein verliehener Grad wegen eines Plagiats widerrufen werden kann, müssen zwei Dinge gemäß Verwaltungsgerichtshof zutreffen: Es müssen in Täuschungsabsicht wesentliche Teile ohne entsprechende Hinweise, also Anführungszeichen, abgeschrieben worden sein.

Aber genau diese Täuschungsabsicht ist doch schwer nachweisbar.

Die ist nicht nur schwer, sondern gar nicht nachweisbar. Egal, was die Person getan hat, sie kann immer sagen: Ich dachte, es sei erlaubt gewesen. Selbst bei der höchsten Form des Plagiats, nämlich der Aneignung anderer Texte inkl. der Umwandlung in die Ich-Form, kann sie das noch sagen. Wenn also ganze Absätze übernommen werden und es wird »Ich glaube« oder »Ich bin der Meinung« vorangestellt. Der Verweis, dass man es fachlich nicht anders gelernt hat, ist also immer möglich. Wenn man aus dem Dilemma rauswill, dann müsste man es so abändern, dass nicht die Täuschungsabsicht des Abschreibenden nachgewiesen werden muss, sondern die Täuschung des Lesers bei objektiver Betrachtung. Ob die durch Inkompetenz, Bosheit oder Ghostwriting passiert ist, ist vollkommen egal. Das müsste man gesetzlich nur ändern.
Plagiatsjäger Stefan Weber im Gespräch

Warum veröffentlichen Sie nicht auch alle Fälle, bei denen Sie kein Plagiat festgestellt haben? Damit würden Sie allen Kritikern entgegentreten, die meinen, dass Sie nur Aufmerksamkeit brauchen. Es wäre wissenschaftliche Transparenz und statistisch nachgewiesen, dass Sie nicht überall etwas finden. Manche würden vielleicht sogar, als Art Qualitätsmerkmal, auf Ihre Website verweisen, um zu zeigen, dass sie astrein sind.

Bei Bezahlaufträgen geht das unmöglich. Der Auftraggeber will dann natürlich nicht, dass ein Minister, der nicht plagiiert hat, auf der Website aufscheint. Das wäre ein Vertragsbruch, weil ich zu Verschwiegenheit verpflichtet bin. Wo es gehen würde: beim Hobbyismus. Hier kann ich auch jetzt klar sagen, wer auf solch eine Whitelist kommen würde: Schramböck, Kogler, Blümel, Nehammer, Maurer. Die haben alle nicht oder nur minimal plagiiert. Aber wen interessiert es? Niemanden. Journalisten berichten auch nicht darüber, wenn kein Verkehrsunfall auf der A1 passiert. Kein Terroranschlag in New York ist auch keine Story. Das Interesse an einer sauberen Whitelist haben bisher nur Herr Nikbakhsh und Sie geäußert.

Warum sind Sie eigentlich Plagiatsjäger oder Plagiatsgutachter geworden?

Persönliche Betroffenheit. Ich bin also nicht beim AMS gestanden und meinte: Ich werde kein Professor, haben Sie vielleicht eine Idee? Ich war auch nicht selbstständig und musste irgendwie zu Aufträgen kommen. Der Job hat sich konsekutiv durch die ständig steigende Konfrontation mit Plagiaten seit 2002 ergeben. Ausschlaggebend war, dass jemand eine Seite meiner Dissertation eins zu eins im Zuge einer Projekteinreichung verwendet hat. Als ich von jemandem darauf hingewiesen wurde, habe ich die Person zur Rede gestellt und habe die Antwort bekommen, dass ich mich geehrt fühlen solle. Parallel bin ich an meinen Studenten an der Universität Klagenfurt verzweifelt, da dort niemand mehr zitieren konnte, sondern fast alle nur noch aus dem Internet kopiert haben. 2005 hat meine Pressearbeit damit begonnen, dass erneut meine Dissertation über 90 Seiten lang plagiiert wurde und ich dann die APA kontaktiert habe, weil der Person daraufhin der Doktorgrad aberkannt wurde.

Lieblings-

Buch: Das Jenseits der Philosophie (Josef Mitterer) 
Film: Interstellar
Song: Madame George (Van Morrison) 
Schauspieler/in: Anthony Hopkins
Motto: Lieber zu viel als nichts!
Autor/in: James Joyce
Serie: Fast wia im richtigen Leben
Stadt: Salzburg, Venedig, Wien, Dresden
Land: Österreich, Italien, Kroatien
Gericht: Pizza Diavolo in der Variante mit Letscho 
Getränk: Cola Zero, Limoncello, Rooibos Tee

Persönliches Mitbringsel

Mein aktuelles Buch. Der Titel »Auf ›Plagiatsjagd‹« war nicht meine Entscheidung, sondern die des Verlags, da es darum geht, wie sich das Buch bestmöglich verkauft. Ich finde den aktuellen Titel nicht schlecht, auch wenn ich zuvor einige vorgeschlagen habe, wie bspw. »Schwarzbuch Wissenschaft«. Wenn ich das Buch aktuell betiteln dürfte, würde ich es »Der Aufstieg der Plagiatoren« nennen. Was ich damit sagen möchte? Die, die sich an der Uni mit »Copy-and-paste« sozialisiert haben, sind jetzt Minister, EU-Kommissare und so weiter, also ganz oben. Den Titel hätte ich mir nun im Nachhinein gewünscht. Daher schreibe ich immer noch ein weiteres Buch, weil ich mit meinem letzten immer total unzufrieden bin. Das heißt aber nicht, dass das Buch schlecht wäre! Es geht mir gerade nur um die Verpackung.
»Streitschrift« von Plagiatsjäger Stefan Weber

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: ein wunderschöner orange verfärbter Himmel zum Sonnenuntergang in Salzburg.
Negativstes: ein Streit mit meiner Freundin.

Berufswunsch als Kind

An ganz früher kann ich mich nicht mehr erinnern. Die Klassiker, wie Feuerwehrmann oder so, waren es jedenfalls nicht. In der Schule dann irgendwas mit Texten, wie Schriftstellerei. Später habe ich dann gemerkt, dass ich das überhaupt nicht kann, weil ich keine künstlerische Ader habe.

Wen wollten Sie immer schon einmal treffen?

Niklas Luhmann und Quentin Meillassoux

Teenie-Schwarm

David Bowie und Blixa Bargeld als Idole

Café-Bestellung

Cola Zero und Mozarttorte

Ort des Interviews

Café Rathaus
Stattgefunden hat das Interview mit Plagiatsjäger Stefan Weber im Café Rathaus in 1080 Wien. Es befindet sich also nicht direkt im oder beim Rathaus, aber in unmittelbarer Gehweite. Und zwar direkt neben dem Café Eiles, das bisher zweimal Ort des Interviews für Talkaccino war. Neben einer Vielzahl von Torten, Mehlspeisen und Cafés gibt es auch eine ausführliche Speisekarte mit klassischen Gerichten und sogar einer veganen Auswahl. Ein schönes und großes Wiener Café, das durchaus zum Verweilen einlädt.