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Crazy Cheese Roland Ludomirska
 
       
       
Roland Ludomirska

Verrückter Käsemacher

Gesellschaft
01.08.2023
Vom Brotstandler zum Käsemillionär – so könnte man den Werdegang des heutigen Interviewpartners in aller Kürze beschreiben. Roland Ludomirska hatte vor über 25 Jahren einen Brotstand am Viktor-Adler-Markt in Wien. Durch eine Idee seiner Tante hat er begonnen, Käse zu verkaufen und sich auf Messen zu präsentieren. Kurz vor dem ersten Corona-Lockdown im Jahr 2020 hat der heute 52-Jährige seinen ersten Käse-Shop in der SCS unter der Marke »The Crazy Cheese Manufacture« geöffnet. Weitere Shops, ein Webauftritt und exzentrische Vermarktungsstrategien via Social Media folgten. So nennt er sich heute selbstbewusst »President of Decadence« und empfiehlt, seine Käsekreationen mit Champagner zu genießen, denn: Käse soll glücklich und nicht satt machen.

Was macht deinen Käse so crazy?

Ich mache den Käse crazy, weil ich der Erfinder der Käsesorten bin. Begonnen habe ich vor 25 Jahren mit meinem eigenen Crazy Cheese. Das kam so gut an, dass die Holländer jetzt bunten Käse machen. Ist doch schön, dass ein Wiener den Holländern zeigt, was sie mit Käse alles machen können, und er sie dadurch inspiriert.

Holländer zu inspirieren hat Falco schon mit Musik geschafft.

Genau, der hat auch mit den Holländern zusammengearbeitet und musste sich viel mit denen ärgern. Da braucht man starke Nerven.

Ärgerst du dich über die Holländer?

Ich hab’s mit den Vorarlbergern probiert, aber geiler ist es mit den Holländern. Stur sind sie alle, denn ich habe ihnen mit der Chaostheorie ganz etwas Neues gezeigt. Vorher glauben sie einem nicht, dass es geht, und dann sehen sie, dass es funktioniert.

Bist du wegen der österreichischen Sturheit zu den Holländern gegangen?

Hingegangen bin ich nicht, angerufen habe ich. Persönlich war ich erst einmal dort, mit einem Privatjet, um zu schauen, wie es den Kühen dort so geht. Alles andere passiert telefonisch.
Im Interview: Crazy Cheese Roland Ludomirska

Um zur Einstiegsfrage zurückzukommen: Dein Käse ist crazy, weil er unterschiedliche Farben und Geschmackssorten hat.

Genau. Mein Käse ist etwas komplett anderes und gegen den Strom produziert. In Österreich achtet jeder darauf, dass Lebensmittel bio sind und dass sie keine Farb- und Aromastoffe beinhalten. Das mache ich anders. Absolut crazy ist das! Wir färben unseren Käse mit Lebensmittelfarbe und fügen Aromastoffe hinzu. Käse muss schmecken und Spaß machen. Meine Kunden kaufen bei mir nicht ein, weil sie irgendeinen regionalen Bauern unterstützen möchten, sondern weil sie es sich gutgehen lassen wollen. Eine ganz wichtige Message von mir an die Leute: Wieder mehr auf sich schauen! Auf alles wird geschaut ... auf die Bauern ... auf die Umwelt ... jeder schaut auf jeden, aber nicht mehr auf sich selbst. Ich hingegen sage: Lasst es euch mal wieder gutgehen! Weil dann ist das Life wieder wonderful! 

Egoismus durch Käsegenuss.

Egoismus ist etwas ganz Wichtiges. Wenn jeder auf sich schaut, dann ist nämlich auf alle geschaut. Wenn jeder sich selbst liebt, dann ist jeder geliebt.

Fast schon religiös. Liebe die anderen so wie dich selbst. Einfach mal bei sich selbst anfangen.

Richtig. Schrecklich, wenn du dich selbst nicht lieben kannst. Es gibt so viele grantige Leute, die sich selbst nicht mögen. Wie geht’s dir eigentlich so mit den Grantlern?

Ich wohne in Wien und habe mich mit dem Grant arrangiert.

In Wien ist das ganz lustig. Dort sind die Leute so grantig, dass es schon wieder kultig ist.

Gleichzeitig die lebenswerteste und die unfreundlichste Stadt der Welt. Ein Paradoxon.

Ich vermisse das! Vor 20 Jahren bin ich in die Steiermark gezogen, weil ich dachte, dass dort alles super ist. Bis ich draufgekommen bin, dass das gar nicht so ist.

Weil die Steirer zu freundlich sind?

Na, ich hab gemerkt, dass es in Wien eh passt. Aber gut, jetzt bin ich in der Steiermark und bleibe auch dort. Ursprünglich bin ich aus dem Gemeindebau im zehnten Bezirk. Wenn du dort ins Gasthaus gehst und einen Kartoffelsalat bestellst, bekommst du einfach was anderes, wenn der schon aus ist. Gefragt wirst du da nicht viel. Super! (lacht)

Nimm deinen eigenen Käse ins Lokal mit.

Zum Drüberreiben mache ich das eh gerne.

Wenn du an deine Zeit am Viktor-Adler-Markt zurückdenkst, wie war das damals?

Eine super Zeit war das. Ich hatte das Glück, dass ich in Wien aufgewachsen bin. Meine Eltern hatten einen Bauernmarkt in der Leibnizgasse. Schon mit fünf oder sechs Jahren bin ich nach der Schule auf den Markt und habe mitverkauft.

Als Kind schon?

Ja, natürlich habe ich meiner Mama geholfen. Dort haben alle laut geschrien: »Drei Salot fia an Zehna!« Kennst das?

Das kenne ich vom Brunnenmarkt im Sechzehnten.

Herrlich ist das! Genau das habe ich gemacht. Ein echter Marktschreier.
»Geld ist ein Abfallprodukt«

Du hast vorher gesagt, dass du in einem Privatjet nach Holland geflogen bist. In deinen Social-Media-Videos pflegst du einen exaltierten und dekadenten Lebensstil. Wie viel vom früheren Marktschreier steckt im neureichen Käsemillionär?

100 Prozent! Ich habe mich überhaupt nicht verändert und bin genauso wie ich immer schon war, das ist ja das Schöne. Geld ist nicht wichtig, sondern ein Abfallprodukt von dem, was man tut. Ich mach die Sachen, weil sie mir Spaß machen, und nicht wegen dem Geld. Manchmal kommt mehr, manchmal weniger.

Dennoch hast du dich dazu entschieden, deinen Käse heute deutlich teurer zu verkaufen als früher am Markt.

Auf jeden Fall. Meine Käsesorten sollen schließlich einzigartig sein. Früher am Bauernmarkt habe ich die Leut satt gemacht. Ich habe nur Brot und Käse verkauft. Wirklich geachtet wurde das allerdings nicht. Die Leute hatten Hunger und haben sich das gekauft. Wie heute halt beim Discounter. Ich habe das später auch auf diversen Messen gemacht in ganz Europa. Mailand, Paris, Hannover, Hamburg, München und so weiter. Überall habe ich Käse verkauft. Und irgendwann kam die Midlife-Crisis und ich dachte mir: Da muss doch mehr sein, weil das kann es nicht gewesen sein ... immer nur Käse zu verkaufen. Ich wollte eine Message hinterlassen, die unsterblich ist. Ähnlich wie bei Falco. Der ist für mich unsterblich und war immer schon mein Idol. Der hatte die gleiche Einstellung zum Geld wie ich. Wirklich wichtig war ihm das nicht. Er hat das gemacht, worauf er Lust hatte, und hat das Leben genossen. Dekadenz hat er übrigens salonfähig gemacht. Es sich in Österreich gutgehen zu lassen und es noch zu zeigen, ist in Österreich ja ein Skandal. In Amerika ist das ganz normal. Bei uns ist es ein Wahnsinn.

Die Boulevard-Presse hat vor einiger Zeit berichtet, dass bei dir nicht alles mit rechten Dingen zugeht.

Ja, ja, ja ... das kommt dann immer, dass bei mir alles mit unrechten Dingen zugeht. Finde ich lustig. Natürlich wundern sich die Leute, wie ich mit Käse so erfolgreich sein kann.

Du meintest, dass du nicht viel nachdenkst und einfach machst, und das anders als die anderen. Ist das dein Erfolgsgeheimnis?

Glaube ich schon. Ich plane nichts, weil das Leben ein Chaos ist. Eigentlich bin ich ein bissl wie die Pippi Langstrumpf. Ich mache mir das Leben, wie es mir gefällt.

Du wirkst mehr wie der verrückte Hutmacher aus »Alice im Wunderland«.

Der ist auch super. Gefällt mir sehr gut! Wenn du mit deinem Job eins wirst, bist du nicht mehr privat. Ich bin also ständig Crazy Cheese. Ich mache jeden Tag ein Video von mir zu Hause. Mein Sohn ist zwölf Jahre und sagt mir dauernd, dass er nicht gefilmt werden möchte, aus Datenschutzgründen.

Normalerweise sind eher die Jungen auf Social Media und pfeifen auf Privatsphäre. Bei euch ist es genau umgekehrt. Wie war das für dich, als du mit ungefähr 50 begonnen hast, Videos von dir selbst zu drehen und dabei mit Anglizismen um dich zu werfen? Hat sich das ganz normal angefühlt oder hattest du Bedenken, dass das auch nach hinten losgehen und lächerlich wirken könnte?

Ich habe meinen Flagship-Store hier in der SCS am 5. März 2020 eröffnet. Bereits damals hat man im Shopping-Center Corona gespürt, es war weniger los. Bei mir allerdings war es ein Raketenstart. Zwei Wochen später mussten wir zusperren, Lockdown. Wir sind zu Hause gesessen und dachten uns: Machen wir einen Onlineshop. Der ist explodiert! Damals habe ich mein erstes Video gemacht und habe ein Chutney gegessen. Auswendig gelernt oder so hatte ich nichts. Ich war einfach ich, so wie ich es immer bin, auch wenn die Leute glauben, dass ich eine Rolle spiele. Am besten bin ich, wenn ich ich bin und es mir Spaß macht, was ich tue. Täglich haben wir zwischen 15.000 und 20.000 Euro Umsatz gemacht. Das musst du dir mal vorstellen! Wir waren überhaupt nicht auf den Ansturm vorbereitet und mussten anfangs improvisieren. Nach zwei Monaten haben wir bereits unsere große Zentrale in Hart bei Graz eröffnet.

Wenn ich mir deinen Store anschaue, wirkt hier nichts improvisiert und nichts nach Chaos. Du musst dir vorab schon sehr viele Gedanken gemacht haben.

Natürlich! Mir war von Anfang an klar, dass mein Store nicht wie ein Lebensmittelgeschäft aussehen darf. Nehmen wir die Käsetheke beim Meinl am Graben her. Die ist sehr fein und die haben dort viel mehr Auswahl als ich. Aber: Dort schaut es halt aus wie in einem Käsegeschäft. Bei mir wirkt es eher wie in einer Kunstgalerie. An der Wand sieht man Symbole vom Käse, die Wände sind dunkel und von der Decke hängen Kristallluster. Man soll sofort sehen, dass es sich um Luxusprodukte handelt. Mein Luxusvorbild ist Louis Vuitton. Keiner braucht es, alle wollen es haben. Wie bei Crazy Cheese. Den Eiffelturm braucht auch keiner, trotzdem ist er das Schönste in Paris. Dinge, die man nicht wirklich braucht, machen das Leben erst schön.
»Den Eiffelturm braucht keiner, trotzdem ist er das Schönste in Paris«

Welche Dinge hast du, die kein Mensch braucht?

Viele. Ich liebe es, mir ständig neue Sachen zu kaufen. Ich sammle zum Beispiel Star-Wars-Figuren und Modellautos. Ich habe 350 Mini-Ferraris im Maßstab 1:18. Geld macht nicht glücklich, aber die Dinge, die man sich darum kaufen kann, schon.

Aktuell wird durch die Inflation alles teurer und dein Käse ist noch teurer, als er jemals war. Offenbar kaufen ihn die Leute aber.

Die Leute, die bei mir Käse kaufen, sind diejenigen, die es sich gutgehen lassen wollen. Das heißt aber bitte nicht, dass die reich sind. Das sind Menschen, die das Leben genießen und nicht alles nachrechnen. Die Kunden, die zum Discounter oder zum Bioladen gehen, sind nicht meine.

Wobei beim Kauf im Bioladen auch bewusster zu höheren Preisen eingekauft wird.

Das schon, aber denen ist mein Käse zu bunt. Die wollen keine Farbstoffe drin haben.

Obwohl es unbedenkliche Lebensmittelfarbe ist?

Wenn jemand bio einkauft, soll gar nix drinnen sein. Ich hatte mal Biokäse vom Bergbauern, weil es im Trend war. Geschmacklich war nicht wirklich ein Unterschied zu merken. Viele meiner Kunden wollten aber keinen Biokäse kaufen. Das war der Moment, als ich gemerkt habe, dass die Leute gar nicht so sehr das wollen, was ihnen die Medien oftmals vorgeben. In der Werbung siehst und hörst du andauernd von bio. Interessiert das die Leute tatsächlich? In Wirklichkeit wollen sie es sich nur gutgehen lassen. Natürlich schreien die, die bio verkaufen, dass das alle haben möchten. Aber auch nur, weil sie ihr Produkt verkaufen wollen. Auf den Messen habe ich gemerkt, dass die Leute ganz unterschiedlich sind. Bunter Käse geht in Großstädten viel besser als auf dem Land. Warum ist das so? Weil die Leute in den Städten offener sind, Neues zu probieren. Am Land sind sie bodenständiger und sogar grantig, wenn der Käse eingefärbt wird. Daher bin ich sehr sensibilisiert darauf, was die Leute wollen. Crazy Cheese hat sich über 25 Jahre entwickelt. Spontan von heute auf morgen ging das nicht. Plötzlich da war gar nichts. Ich habe auf Messen sehr genau ausgetestet, wo was gut funktioniert und was nicht ankommt. 2020 war ich dann so weit, eine Marke zu kreieren. Hintergrund war der, dass es einige ehemalige Mitarbeiter gab, die angefangen haben, mich zu kopieren. Alles meine Padawans.

Hast du keine Angst, dass dich deine Mitbewerber mit noch verrückterem Käse und extravaganteren Geschmackssorten überholen könnten?

Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich mache mir Sorgen, weil die ja kein Update bekommen. Ich entwickle mich regelmäßig weiter. Während ich schon in der Zukunft bin, arbeiten die noch mit der Software im Kopf, die ich ihnen vor Jahren draufgespielt habe.
Crazy Cheese im Interview

Du bist ein Overnight-Success, der nach über 25 Jahren Arbeit entstanden ist.

Es hat sich so entwickelt.

Wie reich bist du?

Ich bin der Reichste, weil ich der Zufriedenste bin. Die Bezeichnung »Käsemillionär« stammt nicht von mir. Ich möchte nicht auf Geld reduziert werden.

Du forcierst dieses Image.

Na, na, na. Der Mammon macht keinen Menschen aus. Ich klebe die Geldscheine, wie hier im Shop, auf den Boden. Ich bin zufrieden, weil ich nicht am Geld hänge. Wenn Geld eine Wertigkeit für mich hätte, könnte ich alles das gar nicht machen.

Sollte dein Käseimperium zusammenbrechen, würdest du wieder einen ganz normalen Stand am Viktor-Adler-Markt betreiben?

Natürlich könnte ich das. Ich bleibe immer ich. Die Zeit am Viktor-Adler-Markt war wunderschön. Ich hätte mir damals nie gedacht, dass ich auf Messen fahre. Auf den Messen dachte ich nicht, dass es sich mal in die Richtung entwickelt wird, wo ich jetzt stehe.

Zufälle, deren Weggabelungen du erkannt hast?

Ich glaube, es ist Bestimmung. Ich lasse mich führen und mache das, was mir das Universum gibt. Alles, was wir sehen, war zuerst ein Gedanke oder eine Vision. Jeder Käse war ein Gedanke, bis er manifestiert wurde. Deswegen finde ich meine ehemaligen Mitarbeiter so lustig. Die Käsesorten sind aus meinen Gedanken entstanden. Das heißt, dass sie eigentlich ein falsches Leben leben, nämlich eines aus meinen Gedanken. Gleichzeitig ist es schön, dass sie sich damit wohlfühlen. Mein Vorbild war Falco. Er war und ist mein Idol. Das heißt, ich habe mich mit seinen Gedanken auseinandergesetzt.

Er ist nicht glorios geendet.

Was soll ich sagen. Ein Rockstar-Ende. Bei Elvis war es ähnlich oder James Dean, der mit dem Porsche verunglückt ist. Furchtbar. Den Alkohol sollte man auch kontrollieren können. Ich trinke hier mit dir das erste Mal seit Februar wieder.

Warum dann jetzt?

Eine Ausnahme, die zeigt, dass ich kein trockener Alkoholiker bin. Da würde ich ja gleich rückfällig werden.

Du bist also kein Alkoholiker und bist auch nicht trocken.

Na, ich trinke, wenn es mir Spaß macht. Früher habe ich fünf Flaschen Champagner am Tag getrunken. Super war das. In der Früh gleich mal ein Champagner-Breakfast. Da bist du dann so entspannt, dass du dich gleich wieder hinlegst. Zu Mittag ein Flascherl, am Abend noch zwei. Ich war dann irgendwann so müde, dass ich mir dachte: Champagner zu trinken ist eigentlich das Anstrengendste am ganzen Tag. In der Fastenzeit habe ich dann Alkohol und Fleisch weggelassen. Ich trinke jetzt nur noch zu Weihnachten, zu Geburtstagen, zu Silvester und wenn ich ein Interview gebe. Vielleicht noch wenn ich ein Video mache. Dann aber wirklich nur einen Schluck.

Wenn du in deinen Videos zeigst, wie gut es dir geht, und du offen über deine Tagesumsätze sprichst, hast du nicht Bedenken, dass deine Lieferanten ihre Konditionen bei dir nachverhandeln möchten?

Das ergibt sich automatisch und haben sie auch schon gemacht. Am Bauernmarkt war das auch schon so. Am Samstagvormittag habe ich dort, das musst du dir mal vorstellen, eine Tonne Brot verkauft! Der Bäcker ist immer teurer geworden, weil er dachte, dass er so super ist. Dabei hab ich gut verkauft. Die gleiche Thematik hatte ich nun mit einem Käselieferanten. Der dachte, ich sei auf ihn angewiesen, also habe ich ihn ausgewechselt. Der jetzige Lieferant bietet sogar noch besseren Käse an.

Zu günstigeren Preisen?

Darum geht es mir gar nicht. Es geht darum, dass andere glauben, dass sie mich von ihnen abhängig machen können. Ich habe immer zwei Lieferanten, um nicht von einem abhängig zu sein. Während Corona habe ich den Fehler gemacht, dass ich nur noch einen hatte. Mit Mitarbeitern geht es mir manchmal ähnlich, wenn ich sie lobe und ihnen sage, dass sie der Verkäufer des Monats sind. Auf einmal fallen die in ihrer Leistung komplett ab und glauben, sie können machen, was sie wollen. Ich lobe aber trotzdem weiter! Ich werde mich nicht ändern, wenn jemand anders ein falsches Verhalten an den Tag legt. Lob ist etwas Schönes. Manche Chefs loben überhaupt nicht. Mein Karate-Sensei sagt immer, es ist das größte Lob, wenn er nichts sagt.

Ähnlich wie ein Polizist, der nicht applaudiert, wenn du bei Grün über die Straße gehst.

(lacht) Das ist gut, gefällt mir!
Crazy Cheese im Gespräch

Kommen manchmal österreichische Bauern oder Senner zu dir, um dir ihren Käse zu verkaufen?

Ja, das passiert. Wir sind medial sehr präsent, wodurch sie auf uns aufmerksam werden. Ich habe letztens erst einen Karton aus Vorarlberg bekommen. Ein Paket mit Käsesorten, die ich früher am Markt verkauft habe. Und weißt du, was mir da aufgefallen ist? Ich kann diese Käsesorten mittlerweile nicht mehr essen, weil die total langweilig sind.

Die können ihren Käse doch auch mit Farbstoffen und Aromen versetzen.

Nein, können sie nicht. Das hat damals schon nicht funktioniert und heute ist es nicht anders. Ein Vorarlberger hat einen Laib Käse mal orange eingefärbt und mir geschickt. Als er angekommen ist, war keine Farbe mehr drinnen. Aus irgendeinem Grund ist die verpufft. Du musst diese Fertigkeit haben. Die Holländer können das und deswegen sind sie die Nummer eins am Käsemarkt.

Wenn dir ein großes Handelsunternehmen oder ein großer Lebensmittelkonzern ein Angebot machen würde ...

Haben sie schon – sowohl Spar als auch der Rewe-Konzern. Das war 2020, als wir online gegangen sind. Mich hat das allerdings nicht interessiert. Eine Louis-Vuitton-Handtasche gibt es auch nur bei Louis Vuitton und nicht beim Kastner & Öhler. Mein Käse muss richtig präsentiert werden. Niemand geht in den Supermarkt, um sich ein Lifestyle-Produkt zu kaufen. Die sind reine Grundversorger der notwendigen Dinge. Meine Produkte sind nicht notwendig, sie sind Luxus.

Ein großer Konzern könnte dir auch die Marke um zig Millionen abkaufen.

Das kann ich mir nicht vorstellen und würde ich auch nicht machen. Die müssten meine Stores kaufen, ansonsten würden die es niemals schaffen, meinen Käse zu verkaufen.

Wenn es dafür ein Angebot geben würde?

Müsste man sich überlegen. Käuflich ist alles. Sogar die Liebe. Aber ich wüsste nicht, was ich dann machen sollte. Ich müsste mich dann als Prophet irgendwo hinstellen, damit mir dann noch irgendwer zuhört.

Jetzt wird es wieder religiös. Der Leib Christi.

Bei mir ist es der Laib Käse. Das ist schon wesentlich, weil Jesus eine Message hatte. Die habe ich auch. Die Leute sollen es sich, gerade in schwierigen Zeiten, wieder gutgehen lassen.

Eines deiner Vorbilder soll Walt Disney sein.

Der ist unsterblich! Der hat Mickey Mouse erfunden, um die Leute abzulenken von der damaligen Zeit. So ähnlich bin ich mir vorgekommen mit meinen Videos während der Lockdowns. In Disneyland wirst du auch vom Alltag abgelenkt. Probleme sind andauernd überall vorhanden. Ich allerdings benehme mich, als ob es die alle nicht geben würde. In meinen Videos würde ich niemals ein Problem ansprechen, politisieren oder über jemanden urteilen. Das machen eh die anderen. Ich lasse es mir einfach gutgehen. Wir leben nicht ewig. Viele Menschen beginnen das Leben erst zu genießen, wenn sie wissen, dass sie sterben. Sie leben bewusster, sobald sie wissen, dass es bald aus ist. Wissen tun wir es alle, denken tun wir aber nicht daran. Wir leben so, als ob wir 200 Jahre alt werden würden. Viele sparen viel Geld, kaufen sich nix, sind voller Sorgen und unglücklich. Es gibt zwei Gruppen von Menschen. Die einen, die sich freuen und sich dorthin führen lassen, damit es ihnen gutgeht. Und dann gibt es die anderen, die Hater, die nix damit anfangen können. Die sehen nur die Provokation, wenn ich in schwierigen Zeiten im Whirlpool sitze und mich mit einer 500-Euro-Serviette abwische. Da hat mir eine geschrieben, dass sie das nicht passend findet in einer Zeit, in der andere ihren Job verlieren. Entschuldigung, ein 500-Euro-Schein bleibt etwas Schönes, und in schwierigen Zeiten will ich ihn umso mehr! Wenn ich sage, dass 500 Euro schlecht sind, werde ich den Schein nicht vom Universum bekommen. Wichtig ist aber, dass ich auch ohne ihn glücklich sein kann. Die Leute glauben, dass ich nur im Luxus leben kann. Vollkommener Blödsinn, weil ich im Gemeindebau genauso glücklich war. Warum? Weil ich zufrieden bin. Und wenn man zufrieden ist, bekommt man mehr. Den Unzufriedenen wird genommen, was sie haben. Das ist ein einfaches Grundgesetz. Ich find’s so lustig, wenn mir Leute schreiben, ob das G’schäft nimma geht, weil ich in Jesolo Urlaub mache und nicht in Amerika oder Abu Dhabi. Als ob es darum gehen würde. Jesolo is my favorite place. Ich kann meinen Crazy Cheese im Gemeindebau in der Badewanne genauso genießen und positiv sein. Vielleicht bin ich dort sogar glücklicher als ein anderer in Monaco.
»Der unausweichliche Tod, auf den wir zusteuern, ist das Schlimmste«

Woher kommt diese Einstellung?

Meine Einstellung, ein positiver und glücklicher Mensch zu sein?

Du bist in Wien aufgewachsen. In einer Stadt, in der alle ständig granteln.

Um das zu beantworten, müsste man wahrscheinlich Psychologe sein.

Als Marktschreier ist man das gewissermaßen. Man hat viel mit Menschen zu tun und versteht sie.

In meinem Leben ist es mir schon viel schlechter gegangen als heute. Ich hatte einige Schicksalsschläge.

Zum Beispiel?

Meine Schwester ist mit 27 gestorben. Meine Mutter hat das nicht verkraftet und ist ein paar Jahre später auch gestorben. Ich habe dann gemerkt, wie schnell alles vorbei sein kann.

Hast du zu trinken begonnen?

Dazu war ich noch zu klein, ich war ein Kind. Mein Papa war des Öfteren betrunken. Das war die schlimmste Zeit meines Lebens, da ich ein totales Mama-Kind war. Ich denke heute noch zurück, was für eine schlimme Zeit das war. Ist es immer, wenn du Menschen verlierst. Der unausweichliche Tod, auf den wir zusteuern, ist das Schlimmste. Dadurch hat es sich bei mir eingebrannt, das Leben zu genießen. Meine Schwester hat das Geld nur so ausgegeben, ist immer in den Urlaub gefahren. Mein Papa meinte, dass sie ihr Geld sparen soll. Sie meinte darauf, sie wisse, nicht alt zu werden, also warum sollte sie dann ihr Geld sparen?

Warum wusste sie es?

Sie war zuckerkrank. Bereits als kleines Mädchen von 10 Jahren ist sie Diabetikerin geworden und musste Insulin spritzen. Irgendwann meinte der Arzt zu ihr, dass sie erblinden wird, weil der Zucker auf die Augen geht. Später hat sie dann einen Herzinfarkt erlitten, kam auf die Intensivstation und das war es dann. Das war 1980. Vier Jahre später ist dann meine Mama gestorben. Da habe ich verstanden, dass es wichtig ist zu leben. Wenn du siehst, wie schnell alles aus sein kann, weißt du, wie wichtig die Gesundheit ist.

Durch den Tod wird das Leben erst lebenswert.

Wenn wir uns des Todes bewusst sind, genau. Du musst verstehen, dass es morgen vorbei sein kann. Wenn ich weiß, dass ich morgen sterbe, lebe ich heute anders. Diese Champagner-Flasche hier kostet 1.200 Euro. Die wird jedes Jahr teurer. Ich habe einen Kunden gefragt, wann er sie öffnet. Er meinte, gar nicht, weil sie jedes Jahr mehr wert wird. Der einzige Grund wäre, wenn er wüsste, morgen zu sterben, weil er dann nichts mehr vom Preis hat. Weißt du, was das schönste Kompliment war, das ich jemals bekommen habe? Eine Frau, die an Krebs erkrankt ist, meinte, sie liebt meine Videos und isst meinen Käse währenddessen. Dann sagt sie: »Absolute delicious«, und vergisst dabei, krank zu sein. Wie geil ist das?! Ich dachte niemals, dass mir so etwas gelingen würde. Eigentlich wollte ich nur Käse verkaufen, aber die Leute lieben meine Message. Was Schöneres gibt es nicht. Ähnlich wie bei Walt Disney. Ja, der Konzern verdient viel Geld, aber er macht die Leute glücklich. Wenn du dir einen Star-Wars-Film anschaust, vergisst du den Alltag und nimmst dir eine Auszeit. Genießt das Leben mit Käse, Champagner oder Chutney. Ich bin im Gemeindebau aufgewachsen und wir konnten uns nicht viel leisten. Aber zu Weihnachten und Silvester hat es immer Sekt gegeben. Mein Papa hat das ganze Jahr über nur Bier getrunken, aber an den Tagen gab es etwas Besonderes. Kaviar, Champagner und Trüffel sind eigentlich die einzigen Luxuslebensmittel, dann ist schon Schluss. Ich dachte mir dann, dass Käse einfach geil ist und auch ein Lifestyle-Produkt, weil: Er ist die Mutter der Nahrung! Du hast Eiweiß und Kalzium drin und Kinder werden durch die Muttermilch groß. Ein wichtiges Lebensmittel, das es verdient, ein Lifestyle-Produkt zu sein. Viele Käsehersteller verstehen nicht, dass ich für den Kilo 360 Euro verlange. Ich soll mich rechtfertigen dafür? Louis Vuitton rechtfertigt sich auch nicht für seine Preise. Der Wert ist vorhanden, wenn die Leute nach dem Kauf glücklich sind. Gekauft wird ein Lebensgefühl.

Ist der nächste logische Schritt ein eigenes Restaurant, um den Genuss ausführlicher zu zelebrieren? Wein abgestimmt auf den Käse. Käse als Hauptspeise.

Na, das ist nicht so meines. Gastronom und Wirt bin ich keiner. Ich hasse es zu kochen.

Crazy-Cheese-Fondue?

Eh geil, will ich aber nicht kochen. Die Leute sollen sich lieber zu Hause betrinken. Ist mir lieber. Manche Leute werden bissl ungut, wenn sie was getrunken haben.

Lieblings-

Buch: The Secret (Rhonda Byrne) 
Film: Star Wars Episode IV
Song: Helden von heute (Falco) 
Schauspieler/in: Ben Stiller
Motto: Lebe, liebe und genieße! 
Autor/in: Ich lese nicht so viele Bücher. 
Serie: Star Trek
Stadt: Venedig
Land: USA
Gericht: Carbonara di Pesce
Getränk: Champagner

Persönliches Mitbringsel

Meine Kreation: Trüffeleierlikör. Es gibt Trüffel und es gibt Eierlikör. Vollkommen absurd, das zu kombinieren, aber ich hatte die Idee dazu. Ich liebe es, Trüffel über die Eierspeise zu reiben. Warum also nicht auch in den Eierlikör? Passt gut zum Eis oder auch einfach so als Nachspeise. Du kannst es im Winter und im Sommer zu dir nehmen. Absolut crazy.
Crazy Cheese Trüffeleierlikör

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Letzte Woche war ich in Jesolo. Leiwand war, dass ich meine neue Lieblingsspeise, Carbonara di Pesce, gegessen habe. Seit Februar esse ich kein Fleisch und kann daher keine klassischen Spaghetti Carbonara mehr essen. Da war es super zu entdecken, dass es die Spaghetti auch mit Fisch gibt. Zwei Tage später habe ich einen frittierten Mix gegessen, und das war richtig scheiße. Da war ich echt ang’fressen. Mahlzeiten sind für mich die Highlights des Tages. Ich freue mich richtig aufs Frühstück, deswegen zelebriere ich das auch so. Es ist nicht selbstverständlich, dass der Tisch gedeckt ist.

Berufswunsch als Kind

Tierpfleger. Ich liebe Tiere. Mein Traum war immer, in Schönbrunn die großen Aquarien zu pflegen. Ich habe sogar hingeschrieben, aber sie haben mich nicht genommen. Dann wollte ich Koch werden, obwohl ich es gar nicht mag zu kochen. Mein Papa hat mir das bissl eingeredet. Genommen hat mich da allerdings auch niemand, was eh gut war. Leidenschaft hätte ich dafür keine gehabt. Später habe ich dann eine Fotolehre beim alten Hartlauer gemacht am Praterstern. Franz Josef Hartlauer war damals eines meiner Vorbilder. Er war Frontman, hat vorne gestanden und geredet. Der hatte zig Filialen. Dem war das auch wurscht, was sich die Leute über seine Werbung gedacht haben. Und mir ist es auch scheißegal, wie ich in meinen Videos rüberkomme. Ob die Leute was Negatives schreiben, ist voll egal. Hauptsache, sie schreiben irgendwas.

Wen wolltest du immer schon einmal treffen?

Arnold Schwarzenegger. Auch er zählt zu meinen Vorbildern.

Teenie-Schwarm

Mein Jugendidol war Falco. Als Frau habe ich den Charakter »Seven of Nine« von Star Trek interessant gefunden, gespielt von Jeri Ryan.

Getränk während des Interviews

Champagner

Ort des Interviews

Crazy Cheese Flagship-Store SCS
Wo, wenn nicht in einem der hauseigenen Stores, hätte das Interview mit Roland Ludomirska besser stattfinden können? Ausgewählt wurde daher Österreichs erster Crazy-Cheese-Store in der SCS. Und um das Gespräch stets flüssig zu halten, wurde ausnahmsweise Champagner statt Kaffee getrunken. Cheers!