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Kabarettist Thomas Maurer im Gespräch
 
       
       
Thomas Maurer

Kabarettist

Kultur
08.11.2022
Thomas Maurer wurde 1967 in Wien geboren und ist seit 1988 mit zahlreichen Programmen als Kabarettist tätig. Großteils solo, manchmal in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern wie beispielsweise Florian Scheuba oder Robert Palfrader. Vom Feuilleton wird Maurer meist hochlobend als eine der intellektuellen Speerspitzen des österreichischen Kabaretts porträtiert. Was seine Gedanken dazu sind, wie er politisches Kabarett versteht und ob manchmal gelacht wird, ohne dass die Pointe verstanden wurde, darüber spricht Thomas Maurer im heutigen Interview.

»Komödie ist Tragödie plus Zeit« lautet ein Satz von Woody Allen. Mit diesem Satz hast du Ende März 2021 deinen Stand-up in einer ORF-Sendung begonnen, der damit geendet hat, dass du über den Covid-Tod deines Vaters – und die Information zur Impf-Voranmeldung, die kurz danach in seinem Postkasten zu finden war – gesprochen hast. Du meintest daraufhin, dass du schon neugierig bist, ob du das – gemäß dem Woody-Allen-Satz – mit der Zeit komisch finden wirst. Wie siehst du es heute, eineinhalb Jahre nach deinem damaligen Auftritt?

Sagen wir so: Ist noch nicht ganz so weit. Es war auch eher untypisch für mich, ganz ungefiltert über Privates zu sprechen. Das bringe ich normalerweise kaum auf die Bühne. Wenn überhaupt, dann findet es in anderer Form dorthin. In dem Fall war es allerdings ein aktuelles Format, nämlich die Tafelrunde. So viele aktuelle Formate gibt es in den österreichischen Medien nicht, daher schreibe ich immer etwas Neues dafür. Und es hatte eine politische Dimension. Die Priorisierungspläne zur Impfung waren schon längst fertig, und die Bundesländer meinten mit Zähnen und Krallen, dass sie zu bestimmen haben, wie es weitergeht, weil wir dazu ja schließlich den fantastischen Föderalismus haben. Nur waren sie dann vollkommen überfordert, das auch zu organisieren. Der Impfstoff war vorhanden, die organisatorischen Begebenheiten wären auch vorhanden gewesen. Aber dank neun Königreichen in einem Land von rund 10 Millionen Einwohnern hat das einfach nicht funktioniert. Das war aus meiner Sicht ein Grund, die Thematik öffentlich zu behandeln.

Welche Reaktionen hast du darauf bekommen? Es hat danach ein ordentliches mediales Echo gegeben.

Es war größer, als ich mir vorgestellt habe, wobei ich mir auch nicht so viel dazu vorgestellt hatte. Ich wusste, dass der Inhalt etwas »edgy« ist. Ich wollte es trotzdem machen und habe nicht viel darüber nachgedacht, was es mit mir als öffentliche Person macht. Es gab hunderte Meldungen, die ich direkt bekommen habe, und extrem viel in den Onlineforen von Tageszeitungen. Sogar in der »Kronen Zeitung« gab es viele Leserbriefe, die überwiegend positiv waren, womit ich nicht unbedingt gerechnet hätte. Es gab danach viele Interviewanfragen. Ich wollte mit dem Thema nicht unbedingt auf Tournee gehen, habe dem »Falter« aber ein großes, ausführliches Interview gegeben. Alle, die noch mehr dazu schreiben wollten, hätten dann halt aus dem »Falter« zitieren können. Gar nicht reagieren ging einfach nicht, weil offenbar wirklich viele Menschen ehrlich berührt waren und ich ja schließlich auch den Anstoß dazu gegeben habe.

Du meintest vorhin, dass die Covid-Thematik eine Ausnahme war, Privates zu veröffentlichen. Wie sehr musst du aufpassen, dass du mit Privatem nicht zu weit gehst, wenn du dich auf der Bühne offenbarst und die Wirklichkeit dramaturgisch verarbeitest?

Das ist ganz gut gelungen. Öffentliche Wahrnehmung gehört allerdings zum Beruf dazu, weil sonst kommen irgendwann keine Leute mehr. Ich habe mich aber immer bemüht, mehr als Künstler denn als Promi wahrgenommen zu werden. Ich werde sicherlich nicht bei irgendwelchen Schiffstaufen oder beim Geburtstag von Waltraud Haas erscheinen. Wenn man die Bestie »Promi- Journalismus« nicht füttert, lässt sie einen irgendwann auch in Ruhe. Würde ich irgendwo geheim heiraten, würde es wahrscheinlich trotzdem jemand mitbekommen und in der Zeitung stehen. Aber sicherlich nicht, weil ich es gezielt geleakt hätte.

Wenn du politisches Kabarett machst, sind das Inhalte, die dich persönlich beschäftigen.

Natürlich kann man davon, wie ich meine Programme angehe, Rückschlüsse auf die Person ziehen, wie man es bei jedem Künstler machen kann. Manchmal stimmt es, manchmal nicht. Die meisten Programme – so auch das aktuelle – habe ich so angelegt, dass es eine Rolle ist, die ich spiele. Ungefiltert gehe ich kaum auf die Bühne. Das habe ich am ehesten in Form einer Kolumnensammlung, die ziemlich genau die Ära Schüssel abgedeckt hat, gemacht. Da habe ich sogar improvisiert, was sehr lustig war. Während der Impro-Anteil größer geworden ist, ist der Leseanteil kleiner geworden. (lacht) Satirisch zugespitzt war das wirklich das, was ich mir zur damaligen Zeit gedacht habe. Ansonsten ist die Rolle auf der Bühne – mit einigen Ausnahmen – ein Kabarettist meines Namens, der je nach Thema des Abends sympathischer oder unsympathischer, paranoid, egozentrisch oder sonst wie ist. Je nachdem, wie ich es gerade benötige. Das funktioniert nur im Solo – diese Unschärfe zwischen Rolle und Person. Der beste Schauspieler im besten Stück wird das nicht schaffen, weil du genau weißt, dass es sich um einen Schauspieler in einem Stück handelt. Die Ambivalenz kannst du nur mit eigenem Text alleine auf der Bühne schaffen. 
Backstage im Interview: Kabarettist Thomas Maurer

An der Zeitgenossenschaft führt kein Weg vorbei, und Sachen, an denen man nicht vorbeikommt, sollte man mit Leidenschaft begegnen. So beschreibst du dein aktuelles Programm, mit dem du momentan auf der Bühne stehst. Schaffst du es, allem und jedem mit Leidenschaft zu begegnen?

Da wäre ich ja ein Wundertier! Also ... mit Begeisterung zu reagieren, wenn du wegen einer deppaten Corona-Demo mit der Straßenbahn stecken bleibst ... sagen wir so ... gelingt mir nicht immer. (grinst)

Hast du dann Tipps in deinem Programm parat, um die Leidenschaft zu steigern?

Lebenshilferatgeber in dem Sinne ist es nicht. Es geht eher um abseitige Dinge wie beispielsweise die aztekische Kultur oder um Andreas Hofer um 1809. Gleichzeitig wollte ich veranschaulichen, wie es sich atmosphärisch anfühlt, in der heutigen Zeit in unserem Teil der Welt am Leben zu sein. Das in Kombination zu schreiben war etwas tricky. Es handelt sich also um keine straighte Dramaturgie mit Haupt- und Nebenweg, sondern ist eher wie ein Mobile konstruiert. Die einzelnen Teile halten sich gegenseitig selbst in der Luft, ohne dass sie mit mehr als ein paar Nylonschnüren verbunden sind.

Du hast seit 1988 über 26 Programme geschrieben – die meisten solo, manche in Kollaboration. Wenn man so engmaschig mit neuem Material auftritt, muss man sich eigentlich ständig, fast schon manisch, mit allem in der medialen Berichterstattung auseinandersetzen.

Na ja, Druck brauche ich auch. Schon mein erstes Programm habe ich vorwiegend deshalb geschrieben, weil ich einen Premierentermin hatte. Ich wurde vom I Stangl ein bissl dazu gezwungen, weil er das, was er von mir kannte, ganz interessant gefunden hat. Mehr als 20 Minuten gab es allerdings nicht.

Das war damals im Kabarett Niedermair.

Genau. Ich habe damals einen Vertrag für drei Tage unterschrieben und musste den erfüllen. Ich wäre also relativ faul, wenn ich nicht ständig einen äußeren Antrieb hätte. Ohne den hätte ich wahrscheinlich deutlich weniger zusammengebracht. Wenn ich mit 19 eine Millionenerbschaft gemacht hätte, hätte ich mich wahrscheinlich rein in Privatinteressen versenkt. Wobei Privatgelehrter zu sein auf Dauer wahrscheinlich auch ein bissl fad ist, wenn du so gar keine Resonanz hast.

Das heißt, du machst es nur wegen des Geldes.

Auch, natürlich. Es ist mein Beruf und ich habe drei Kinder. Irgendwie muss ich über die Runden kommen. Die Taktung ergibt sich daraus, dass du Österreich mit einem Programm innerhalb von zwei Jahren einigermaßen abgespielt hast. In Deutschland bin ich nie über den süddeutschen Rand hinausgekommen, weil es da eine Mentalitäts- und Humorschranke gibt. Davon abgesehen, müsstest du medial massiv präsent ein. Das wollte ich mir nicht antun, nochmals von vorne zu beginnen. Mein Gedanke war: Wenn ich Deutschland nicht erobere, dann halt nicht. Uns beiden wird nicht wahnsinnig viel abgehen.

Geht es dir nicht manchmal auf die Nerven, dich ständig mit dem politischen Geschehen und mit allem Aktuellen der medialen Berichterstattung auseinanderzusetzen?

Immer dasselbe zu machen, habe ich früher schon vermieden. Meine Solo-Programme sind nicht unbedingt tagespolitisch. Bereits mein zweites Programm wollte ich möglichst unähnlich zu meinem ersten machen. Ich kannte mich so gut, dass ich wusste, mir irgendwann selbst am Orsch zu gehen, wenn ich immer nur dasselbe mache. Manfred Deix, den ich recht gut kannte, meinte einmal: »Es geht mir am Orsch. Meine vierte Abfangjägerperiode und ich habe bereits alle Witze darüber gemacht.« Tagespolitisch war meine Kolumne, die ich vorhin angesprochen habe. »Zwei echte Österreicher« mit Florian Scheuba war eine gestellte Late-Night-Show mit Jörg Haider als Gast. Ich war der Host, der an Haider, gespielt von Scheuba, verzweifelt ist ... so wie halt die bürgerliche Gesellschaft damals. Der Anspruch war etwas Tagespolitische zu schaffen, das mit einem gewissen ästhetischen Anspruch über das alltägliche Kabarett hinausgeht. »Wir Staatskünstler« war hingegen ein explizites tagespolitisches Kommentarformat.

Nervt es einen eigentlich, wenn man Jahre später noch immer wieder auf ein bestimmtes Format angesprochen wird, oder freut es einen? »Zwei echte Österreicher« hat damals ziemlich polarisiert. Oder mischst du ganz bewusst durch, um eben nicht auf das eine Format reduziert zu werden?

Man freut sich prinzipiell schon, wenn jemand langfristig etwas mit dem anzufangen weiß, was man sich einmal ausgedacht hat. Einen einsam herausragenden Hit, auf den ich dann ständig festgelegt wurde, hatte ich aber nicht. Dem Lukas Resetarits ging es verständlicherweise ziemlich am Orsch, wenn er laut »Kottan!« nachgeschrien bekommen hat. (lacht) Sowas hatte ich nie. »Zwei echte Österreicher« war sicherlich für viele spannend. Auf das Einpersonenstück »Die neue Selbstständigkeit«, in dem ich ein gefallenes Haider-Buberl nach Knittelfeld gespielt habe, werde ich gelegentlich mal angesprochen. 
»Haider hatte intellektuell mehr am Kasten als Strache und Kurz aufeinandergestellt«

Du hast jetzt bereits mehrfach Jörg Haider erwähnt. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass er dir ein bissl abgeht.

Na ja ... nein. Das wäre zu viel gesagt. Er war aber sicherlich interessanter als Strache oder auch Kurz – von seiner schillernden und widersprüchlichen Persönlichkeit her. Und er hatte intellektuell sicher mehr am Kasten als Strache und Kurz aufeinandergestellt. Wir haben uns aber sicherlich nicht aus schierer Zuneigung mit diesem Herrn beschäftigt. Scheuba hat ihn ausgezeichnet dargestellt.

Habt ihr ihn persönlich getroffen?

Flo ist ihm einmal über den Weg gelaufen. Er war ungewöhnlich zurückhaltend. Mir ist es zum Glück erspart geblieben.

Im April bin ich mit Alex Kristan hier im Stadtsaal zum Interview zusammengesessen. Er meinte, heilfroh zu sein, dass Kabarettisten wie du tief in die politische Scheiße greifen, um diese komödiantisch und gesellschaftskritisch zu verarbeiten. Er bewundert es, wenn man es auf so hohem Niveau wie du und Scheuba macht, möchte sich selbst allerdings nicht mit diesen negativen Vibes auseinandersetzen, weil er sein Publikum eigentlich davon ablenken möchte, damit dieses eine gute Zeit hat. Wie geht es dir damit, dein Publikum damit zu konfrontieren?

Ich finde, dass es interessanter ist. Ich hatte als Jugendlicher schon einen Hang zur Satire, wie beispielsweise zu einem »Herrn Karl« oder generell zum Qualtinger. Bei aller Komik darf schon eine gewisse Härte dabei sein – das schließt sich, meiner Meinung nach, nicht aus. Im aktuellen Programm werden fast durchgehend unangenehme Themen behandelt – es ist aber trotzdem sehr lustig. Ich habe also nicht das Gefühl, dass ich weniger Pointen habe als die Leute, die nur unterhalten wollen. Es wird halt etwas anderes transportiert. Den Spagat finde ich interessant und ich selbst brauche offenbar diese Reibung. So einen Blödsinn wie Mario Barth muss man ja nicht unbedingt machen. Alex Kristan halte ich für einen großartigen Handwerker, und ich finde wirklich super, was er macht. Du musst etwas finden, worin du echt bist. Wenn ich anfangen würde, etwas mit der Formel 1 zu machen, nur weil Kristan damit erfolgreich ist, wird das nicht funktionieren, weil es nicht authentisch wäre. Es gibt nichts, das mich weniger als Formel 1 interessiert. Ich würde also mein Publikum verlieren und seines nicht bekommen. Es wird also gescheiter sein, dass wir beide bei dem bleiben, was wir gut können.

In Redaktionen soll es schon vorgekommen sein, dass der eine oder andere Politiker oder Pressesprecher angerufen hat, um nach ungewünschter Berichterstattung zu intervenieren. Hast du als Kabarettist schon die Erfahrung gemacht, dass man an dich herangetreten ist, um dir mitzuteilen, dass der eine oder andere Part vielleicht zu weit gegangen ist?

Eigentlich nicht. Manche Politiker sind auch schon im Publikum gesessen. Mit manchen von ihnen kann man sich auch unterhalten. Direkt als beleidigte Leberwurst ist aber noch niemand an uns herangetreten. Die einzige Ausnahme war der Pressesprecher von Martin Schlaff, dem Austro- Oligarchen mit guten russischen Connections, im Zuge einer »Die 4 da«-Sendung. Man muss dazu sagen, dass es sich nicht gerade um die erfolgreichste Ausstrahlung gehandelt hat, weil er es ganz gut schafft, sich aus der Öffentlichkeit rauszuhalten, und daher viele Zuseher wahrscheinlich nicht mal gewusst haben, was da eigentlich gezeigt wurde.

Was eher vorkommt, ist, dass man Zuschriften erhält. Es scheint eine Faustregel zu sein, dass man nach erstmaliger Publikation in einem überregionalen Medium sämtliche Neonazi-Flugblätter Österreichs zugestellt bekommt. Früher war es so: Wenn du einen Brief aus dem Postkasten ziehst, bei dem der Umschlag mit Schreibmaschine bedruckt war, wusstest du schon, dass dir jemand die Leviten lesen möchte. (lacht)

Hast du dann zu einer gewissen Zeit – Stichwort: Franz Fuchs – manche Briefe gar nicht erst geöffnet?

Während der Fuchs-Zeit hat es auch im näheren Bekanntenkreis immer wieder eingeschlagen. Da habe ich mein kleines Kind zumindest ums Eck warten lassen, als ich den Postkasten geöffnet habe.
»Intellektualität als Selbstzweck wäre mir zu öde«

Ab und zu verrate ich einem ausgewählten Umfeld, wer mein nächster Interviewpartner ist. Als mein Vater den Namen Thomas Mauer hörte, meinte er: »Gehört zur Oberliga des österreichischen Kabaretts.« Gefolgt von: »Ist mir zu intellektuell.«

Ich lege die Programme nicht extra intellektuell an, um die Leute zu verstören – ganz im Gegenteil! Ich versuche eher, komplexe Themen so einfach runterzubrechen, wie es geht. Schließlich halte ich keine Vorlesungen. Intellektualität als Selbstzweck wäre mir zu öde. Ich folge dem, was ich interessant finde, und versuche, daraus ein möglichst lustiges Kabarettprogramm zu machen. Wenn ich mich pfauenartig in meiner eigenen Interessantheit und Belesenheit sonnen würde, interessiert das niemand, und ich könnte Häuser wie den Stadtsaal nicht füllen.

Bildungspolitisch ist es aber doch irgendwie lustig, dass einer der bekanntesten Schulabbrecher Österreichs als der große intellektuelle Kabarettist dargestellt wird.

Ja, wobei mich schon als Schüler wahnsinnig viel interessiert hat. Die Schule war nur nicht das Medium, über das ich die Informationen zu mir nehmen wollte.

Der »Falter« meinte, im österreichischen Kabarett gibt es die G’scheithauben und die Wuchtldrucker, wobei du mehr den G’scheithauben zuzuordnen bist.

Vom Temperament her bin ich schon mehr ein Wuchtldrucker. Ich betrachte das von der Theaterseite. Es muss Luft nach oben geben mit theatralischen Szenen. Du kannst Pause machen und die Stimmung runterholen, solange du weißt, wie du sie wieder in die Höhe bringst. All das hat seinen Platz. Ich bin ein Liebhaber der Komik auf Kabarettbühnen. Bei uns ist, Gott sei Dank, die Spaltung noch nicht so, wie in Deutschland, zwischen Kabarett und Comedy vollzogen. Kabarett soll dort gescheit und politisch sein, ist dafür aber ein bissl fad. Und Comedy darf fetzendeppat sein – Hauptsache, lustig. Bei uns darf Kabarett alles sein, solange es auch lustig ist. Du kannst Theaterstücke machen, kannst clownesk sein oder gusseisern wie der Gunkl dastehen. Solang die Komik nicht zu kurz kommt, ist alles unter Kabarett subsumierbar. Das finde ich sehr angenehm und habe ich stets versucht auszunutzen.

Hast du das Gefühl, dass medial dann manchmal applaudiert wird, ohne dass verstanden wurde, worum es eigentlich geht?

Kommt auch vor, ja. Ich habe mal ein Programm im Sinne eines Generationenbefunds gemacht. Begonnen hat das mit alternativen Strömungen mit einer letztendlichen Befriedung schöner Espressomaschinen in Altbauwohnungen im Biedermeier-Stil. Ich hatte das Gefühl, dass die Leute durchaus verstanden haben, worum es geht. In der Berichterstattung gab es dann aber den einen oder anderen Artikel, in dem gestanden ist, dass mir nichts mehr einfällt, außer über meine Kaffeemaschine und die eigene Altbauwohnung zu sprechen. Da hatte ich das Gefühl, dass ein ganz normales Publikum im Mühlviertel besser verstanden hat, worum es geht, als der eine oder andere Berufskritiker. (lacht)

Deine Mutter dürfte schon mal die Sorge geäußert haben, dass du dich mit manchen deiner Aussagen etwas zu weit aus dem Fenster lehnst.

Meine Mama ist Kriegsgeneration und hatte ein relativ hartes Leben, bis sie sich durch Ehe und Kinder in einer kleinbürgerlichen Existenz eingeparkt hat. Für sie ist die ganze Welt der Politik und Macht ein großes, undurchschaubares Konstrukt. Dass man sich mit denen anlegt, ist ihr nicht so ganz geheuer. Da es nun seit 34 Jahren ganz gut funktioniert, entspannt sie sich nun recht langsam.
Im Gespräch mit Kabarettist Thomas Maurer

Hattest du schon mal das Gefühl, das falsche Thema zur falschen Zeit zu kritisch bespielt zu haben?

Es gab immer wieder Radio- und Fernsehformate, die eingestellt wurden. Das könnte man als eine Art der praktischen Kritik verstehen.

»Die 4 da« bzw. »Wir Staatskünstler«.

»Die 4 da« hat keine dritte Staffel mehr bekommen. »Wir Staatskünstler« ist leise ausgedörrt worden. Zwei Staffeln waren wir wöchentlich auf Sendung. Dann viermal im Jahr, dann zweimal, dann einmal. Und dann war das auch nicht mehr finanzierbar.

Wenn Legislative, Judikative und Exekutive die ersten drei Gewalten im Staat darstellen und die Medien die vierte, kann das Kabarett dann als die fünfte bezeichnet werden?

Es mischt sich teilweise. Die mediale Öffentlichkeit ist in der Krise. Die Redaktionen werden immer kleiner, weil die Werbeeinnahmen wegbrechen und stattdessen an amerikanische Digitalkonzerne gehen. Methode dagegen hat noch niemand so recht gefunden. Gleichzeitig sind die Social Medias aufgrund ihrer Funktionsweisen und Algorithmen absolute Radikalisierungsmaschinen. Gerade in den Trump-Jahren wurden in Amerika satirische Shows für viele Leute zu Nachrichtenquellen. Klar ist natürlich, dass vieles polemisch ist, die präsentierten Fakten stimmen aber grundsätzlich. Ein Beispiel ist die »Daily Show« von Jon Stewart, die dann von Trevor Noah übernommen wurde. Damit wurde eine kleine Revolution ausgelöst. Die ist journalistisch sauber gemacht, mit gleichzeitig satirischen Interventionen. Mit »Wir Staatskünstler« haben wir etwas Ähnliches angestrebt, mit dem Unterschied, dass wir kein Autorenteam dahinter hatten. Bei den Recherchen sind uns dankenswerterweise ab und an Investigativjournalisten zur Hand gegangen. Im Idealfall ist es also eine zusätzliche Einheit der vierten Säule, wenn man es richtig macht.

Kannst du dir vorstellen, wie Roland Düringer, mit einer eigenen Liste, Partei oder Bewegung anzutreten? Sei es, weil es ernst gemeint ist, sei es, weil als Kunstprojekt in anderer Art und Weise auf manches aufmerksam gemacht werden kann.

Wir haben uns das mal als dramaturgischen Rahmen überlegt. Im wirklichen Leben sehe ich das eher nicht auf der Agenda.

Lieblings-

Buch: Der Mann ohne Eigenschaften (Robert Musil)
Film: Wo die wilden Kerle wohnen
Song: »All Along the Watchtower« (Bob-Dylan-Cover von Jimi Hendrix)
Schauspieler/in: Ich habe unlängst »The Maltese Falcon« gesehen und festgestellt, dass Herr Bogart nicht zu Unrecht als Riesencharismatiker gegolten hat.
Motto: Es san scho Hausherrn g’storben.
Autor/in: Kurt Vonnegut, Jr., Margaret Atwood
Serie: The Boys, Patriot
Stadt: Wien
Land: Italien
Gericht: Schnittlauchbrot
Getränk: Wein

Persönliches Mitbringsel

Ich bin Armbanduhrenträger. Meine erste Langzeitlebensgefährtin hat die Uhr von ihrem Onkel Karl geerbt. Es handelt sich dabei um eine alte Omega Seamaster. Seitdem mir mein Ohrenflinserl rausgefallen ist, ist es der einzige Schmuck, den ich trage. Ich habe sie immer oben, außer ich muss sie aus dramaturgischen Gründen ablegen. Glücksbringer in dem Sinne ist sie zwar nicht, aber wenn ich auf der Bühne stehe und merke, dass ich sie nicht trage, ist es ungefähr so, wie wenn man das Hosentürl offen hat und es nicht mehr schließen kann. Ich würde mich kränken, wenn ich sie verlieren würde, da ich sie seit mittlerweile 35 Jahren trage. Größere metaphysische Bedeutung hat sie aber keine.
Thomas Maurer zeigt seine Omega Seamaster

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: Ich habe einen schönen kleinen Ferienurlaub mit meinen Kindern unternommen.
Negativstes: Ich habe es erstmals während meiner Karriere geschafft, einen Tag zu früh zu einem Auftritt anzureisen und sinnlos wieder zurückzufahren, nur um am nächsten Tag erneut anzureisen. 

Berufswunsch als Kind

Ganz am Anfang wollte ich Old Shatterhand sein. Danach wollte ich irgendwas mit Tieren machen. Danach wollte ich Zeichner, Illustrator oder Karikaturist werden. Das war jedenfalls die auffälligste Begabung, die ich hatte. Später, als Teenager, habe ich sogar etwas Geld damit verdient. 

Wen wolltest du immer schon mal treffen?

Aufgrund meiner vielseitigen Interessen gäbe es hunderte Persönlichkeiten, die mich interessieren würden. Die Mutter meiner ersten beiden Kinder war in der Musikbranche tätig und hat unter anderem David Bowie betreut. Hätte ich sie früher gekannt, hätte ich mal zum Abendessen mitgehen können. Das habe ich leider versäumt.

Teenie-Schwarm

Patti Smith

Getränk während des Interviews

Espresso

Ort des Interviews

Stadtsaal
Das Interview mit Thomas Maurer wurde kurz vor seinem Auftritt, backstage, im Wiener Stadtsaal geführt. Neben Kabarettauftritten unterschiedlicher Künstlerinnen und Künstler finden sich auch Lesungen, Poetry Slams oder Konzerte im Programm der Location auf der Mariahilfer Straße wieder.