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Umweltaktivistin Jasmin Duregger im Gespräch
 
       
       
Jasmin Duregger

Umweltaktivistin

Leben
23.12.2021
Jasmin Duregger ist gebürtige Tirolerin und arbeitet für die Non-Profit-Organisation Greenpeace als Klima- und Energieexpertin. Davor studierte sie Kommunikationswirtschaft sowie Umwelt- & Nachhaltigkeitsmanagement und war bei unterschiedlichen Werbeagenturen als Kundenberaterin tätig. Für Greenpeace nimmt sie an Klimakonferenzen teil, plant öffentlichkeitswirksame Kampagnen und sucht den Diskurs mit politischen Entscheidungsträgern.

Geht’s der Welt aktuell so gut, dass man sich als Greenpeace-Mitarbeiterin – nach einem Lockdown – gleich wieder gemütlich auf einen Punsch zum Plaudern treffen kann?

Der Welt geht es nie so gut, als dass man gemütlich Punsch trinken und plaudern könnte. Mit der Zeit muss man die Fähigkeit erlernen, sich von der ganzen Thematik auch abgrenzen zu können, weil es prinzipiell nie genug und alles dramatisch ist. Es ist immer fünf nach zwölf. Man muss einfach eine Linie ziehen und sich abgewöhnen, Termine zu verschieben – weil es eh nie passt. Ich hätte auch heute extrem viel zu tun gehabt.

Das klingt etwas wie im Film »Men in Black«, als gesagt wurde, dass immer irgendein Komet gerade auf die Welt zusteuert oder ein Raumschiff bald explodiert oder eine Invasion von Aliens geplant wird. Die Aufgabe der Men in Black ist, dass die Welt niemals davon erfährt. Kann man sich’s so vorstellen? Eigentlich ist gerade der Katastrophenmodus angesagt, aber ein Punsch geht sich schon noch aus.

(lacht) Nicht so ganz. Bei uns ist ja das Gegenteil der Fall, nämlich dass die Welt eben schon von all dem erfährt. Wenn wir uns hier unterhalten und Punsch gemeinsam trinken, erfährt die Welt eben vielleicht doch von einigen schrecklichen Dingen, die gerade passieren. Unsere Aufgabe ist es, Informationen öffentlichkeitswirksam breit zu streuen und Druck auf Unternehmen und Politikerinnen aufzubauen, damit sich etwas ändert oder zumindest keine Katastrophe eintritt oder sie sich wenigstens nicht fortsetzt.

In einem anderen Interview hast du davon gesprochen, dass sich Österreich die vergangenen 30 Jahre im Winterschlaf befunden hat, bezogen auf die Klimakrise. Muss man sich als Umweltorganisation dann nicht auch selbst kritisch hinterfragen?

Es braucht immer ein gewisses Momentum, dass die Dinge so funktionieren, wie sie funktionieren. Die Umweltschutzbewegung hat die letzten 30 Jahre extrem viel geleistet. Zum aktuellen Punkt sind wir nur gekommen, weil so viel Vorarbeit geleistet wurde. Vor zwei bis drei Jahren gab es diesen Tipping Point, dieses Momentum, als die Jungklimabewegung von Greta Thunberg extrem stark geworden ist. Man wirft Samen auf einen Boden, der bereit dafür ist. Und dafür muss die Vorarbeit geleistet werden, denn dann fallen die Samen auf fruchtbaren Boden und können so explodieren wie diese Bewegung. Dennoch fragen wir uns, ob das, was wir tun, ausreicht, weil wir oft kein Ergebnis sehen. Und dann müssen die Figuren am Schachbrett richtig stehen, um einen riesigen Impact zu haben. Das war bei der Fridays-for-Future-Bewegung so.
Im Interview: Greenpeace-Mitarbeiterin Jasmin Duregger

Wenn du sagst, dass Greta Thunberg aus der Arbeit von Umweltorganisationen entstanden ist und nun am richtigen Feld auf dem Schachbrett steht: Welche Figur verkörpert Greta Thunberg? Ist sie ein Bauernopfer oder ist sie die Königin?

Hmmm ... sie ist straight und kompromisslos. Auf welche Figur das am besten zutrifft ... ich überlege.

Vielleicht den Läufer?

Voll! Flink ist sie nämlich auch noch! Greta ist eine Läuferin! Ob es die Königin oder den König in einer Umweltbewegung gibt, weiß ich nicht. Vorauslaufende Alphatiere gibt es wenige. Man stärkt sich eher gegenseitig.

Vielleicht bräuchte es aber genau das. Greta Thunberg macht ja genau das. Sie läuft nach vorne, auch wenn das kleine Mädchen vielleicht nicht das klassische Alphatier verkörpert. Sie hat durch ihre Arbeit viele grüne NGOs und Parteien wieder gestärkt.

Auf jeden Fall! Es hat aber auch seinen Preis. Greta hat durch Kampagnen, die gegen sie gerichtet waren, viel Hass abgekommen. Genau deswegen hat die Fridays-for-Future-Bewegung in Österreich keine Galionsfigur. Es wollte keine Person als Dartscheibe exponiert sein.

Wenn man deinen Namen googelt, sieht man, dass du schon diverse Interviews gegeben hast in Zeitungen und Nachrichtensendungen. Irgendwo bist du zu einer Speerspitze und Dartscheibe für Greenpeace geworden, oder?

Ich bin für Greenpeace das Gesicht für die Klima- und Energiekampagne, gemeinsam mit meiner Kollegin Klara Schenk. Früher war auch noch Adam Pawloff dabei. Das ist auch bei anderen Organisationen so, dass eine Personengruppe ein spezielles Thema repräsentiert und dann auch in Medien auftritt sowie Kampagnen dazu konzipiert und umsetzt, um auf politischer Ebene einzuwirken. Im Vergleich zu Greta habe ich aber eine Organisation im Hintergrund mit Strukturen. Im Ernstfall gibt es einen Anwalt, der antwortet. Bei Fridays for Future arbeiten viele Menschen freiwillig und unentgeltlich. Freiwillig mache ich es zwar auch, dennoch ist es für mich ein Beruf, für den ich Geld bekomme. Ich verbinde das Sinnvolle mit dem Notwendigen. Ich bewundere Leute, die in ihrer Freizeit hohes Engagement zeigen und nach vorne preschen.

Du hast zu deiner Zeit als Werbeagentur-Mitarbeiterin Unternehmen betreut, die nicht unbedingt für ihre Nachhaltigkeit bekannt waren und das wahrscheinlich immer noch nicht sind. Hast du als Greenpeace-Mitarbeiterin Kontakt zu ehemaligen Kolleginnen bzw. Ansprechpartnern des Unternehmens?

Auf persönlicher Ebene teilweise schon, beruflich allerdings nicht. Dahingehend haben wir keine Berührungspunkte mehr.
Im Interview mit Greenpeace-Mitarbeiterin Jasmin Duregger

Müsstest du nicht in Kontakt treten und sagen: »Leute, schauts, starten wir Aktivitäten, die euch als Unternehmen tatsächlich nachhaltig aufstellen und verwerten wir das öffentlichkeitswirksam, ohne dass es eine reine Greenwashing-Kampagne ist. Ich, als Greenpeace-Expertin, unterstütze euch, und gerade ihr wisst, dass ich euch kommunikativ gut darstellen kann. Vereinen wir das Beste aus beiden Welten.«

Als Greenpeace arbeiten wir mit Unternehmen weniger zusammen, weil wir unabhängig finanziert sind. Auf unseren Visitenkarten steht, dass wir kein Geld nehmen – nicht vom Staat, nicht von Unternehmen, nicht von der EU. Das heißt, dass wir unsere Unabhängigkeit zu jederzeit bewahren. Daher setzen wir auch nicht auf Unternehmenskooperationen. Wenn Geld fließt, besteht eine höhere Abhängigkeit. Wenn vielleicht der Gehalt zweier Mitarbeiter davon abhängt, werde ich mir zweimal überlegen, ob ich das Unternehmen öffentlich hart kritisiere.

Man muss ja kein Geld nehmen. Man könnte auch sagen, dass man als ehemalige Beraterin den Apparat kennt und mit der neu erworbenen Expertise hingeht und zeigt, was man besser machen kann. Eure Bezahlung wäre die neu erworbene Nachhaltigkeit des Unternehmens.

Ich gehe gerne mit Unternehmensvertretern auf einen Kaffee und sage ihnen meine Meinung zu ihren Umsetzungen. Die Frage als Umwelt-NGO ist allerdings immer, wo man den höchsten Impact erzielen kann. Wir befinden uns in der schwierigen Situation, dass uns die Zeit ausgeht. Wir müssen die steigenden Temperaturen stoppen und mit den klimaschädlichen Treibhausgasen nach unten kommen. Wir haben also nicht die Zeit, von Unternehmen zu Unternehmen zu laufen und einem nach dem anderen zu helfen. Das geht sich nicht aus. Wir fokussieren uns auf Projekte, mit denen wir einen Systemumbruch schaffen können. Um Klimaneutralität zu erzielen, bedeutet es, eine komplette Transformation zu schaffen. Als Unternehmen bedeutet das nicht, dass man schnell mal ein Bienenhotel baut, den Wasserverbrauch senkt, ein paar LED-Lampen für geringeren Stromverbrauch einbaut und zehn Prozent weniger Papier verbraucht. Es bedeutet, dass man sein Kernprodukt hinterfragt und wie man das transformiert. Bei einem Ölunternehmen interessiert es mich nicht, dass Öl energieeffizient verbrannt wird. Es wird immer noch hergestellt und verbrannt! Das Produkt muss also getauscht werden. Ein Unternehmen, das Fleisch produziert, muss sich fragen, ob es einen weiteren Zweig mit pflanzlichen Produkten aufbaut, weil die Fleischproduktion für viel CO2-Verbrauch verantwortlich ist.
»Wir bauen öffentlich Druck auf und verteilen Watsch’n an Unternehmen und Politiker«

Ist das bei manchen Unternehmen überhaupt möglich? Fast-Food-Ketten machen ihr Geld damit, indem sie Essen to go anbieten. Die müssten demnach ein klassisches Restaurant werden.

Vapiano hat gestartet, dass man To-go-Boxen wieder zurückgeben kann. Es gibt also schon Lösungen. Wenn diese To-go-Boxen dann noch mit einem Fahrrad ausgeliefert werden, ist das schon mal deutlich klimafreundlicher. Sogar klimafreundlicher, als wenn man immer zu Hause kocht, aber einen Teil seiner Lebensmittel wegwirft, weil sie schlecht werden. Ich habe mir das Projekt von Vapiano noch nicht im Detail angesehen, aber es zeigt, dass man tatsächlich transformieren kann und nicht nur dort und da ein bissl was ändert. Darum geht es uns bei Greenpeace. Wenn das nicht passiert, bauen wir öffentlich Druck auf und verteilen Watsch’n an Unternehmen und Politiker.

Wird gerade an einer Watsch’n – für wen auch immer – gearbeitet?

Politiker bekommen von uns eigentlich immer eine Watsch’n ab. Rund um den Lobautunnel wird aktuell viel diskutiert und ausgehandelt. Der Tunnel ist nun zwar abgesagt worden, aber ein Teil dieses Megaprojekts existiert noch, nämlich die sogenannte Stadtstraße. Die Stadt Wien ist auf einem sehr harschen Eskalationskurs gegenüber der Klimabewegung. Letztens erst wurde die Polizei geschickt, um eine Versammlung für aufgelöst zu erklären. Danach wurde ein Anwaltsbrief an zivilrechtliche Organisationen und Privatpersonen geschickt, um darauf hinzuweisen, dass die Proteste zu unterlassen sind. Dieser Brief ging auch an Minderjährige und unabhängige Wissenschaftlerinnen. Dagegen treten wir vehement auf! Gerade von der Sozialdemokratie erwarte ich mir keinen Angriff auf die Zivilbevölkerung.

Kannst du kurz erklären, was am Lobautunnel so negativ ist? Befürworter argumentieren, dass der Tunnel ohnehin weit unter der Erdoberfläche gebaut wird und damit kein Problem für die Umwelt darstellt.

Es gibt unterschiedliche Aspekte. Der Hauptaspekt aus unserer Sicht ist, dass das Projekt für eine Ära von mehr Straßen und mehr Autobahnen steht – als Lösung für weniger Staus. Wie wir aber aus der Vergangenheit gelernt haben, ist es so, dass mehr Straßen zu mehr Verkehr führen. Sie schaffen Anreize, aufs Auto umzusteigen. Und dadurch wären diese neuen Straßen in ein paar Jahren erst wieder verstopft. Es würde also planiert und betoniert werden, bis in diesem Land bald nichts mehr an Grünraum vorhanden ist. Wir haben sechs Nationalparks, die dem höchsten Schutz unterliegen. Dort auch noch mit Autobahnen eindringen zu wollen ist mehr als fragwürdig. Wir brauchen ein Umdenken und einen Systemwandel – weg vom Auto- und Individualverkehr! Weg vom Ausbau der Straßennetze, hin zu einer klimafreundlichen Mobilität! Seit 1990 sind die Verkehrsemissionen in Österreich um über 75 Prozent gestiegen. Wenn wir uns die Klimaziele anschauen, ist es der Bereich, der uns am meisten Probleme macht.

Wenn wir über Individualverkehr reden: Elektroautos stoßen während des Fahrens zwar kein CO2 aus, doch wenn man den gesamten Prozess von der Fertigung bis zur Entsorgung betrachtet, scheint ein weiteres Umweltproblem vorprogrammiert zu sein. Vom benötigten Strom, der produziert werden muss, mal ganz abgesehen.

Auch hier geht es um das schöne Wort der Transformation. Es wird immer nach einfachen Lösungen gesucht. Wir hatten bisher den Verbrennungsmotor, also glauben wir, das Problem lösen zu können, indem wir einfach zum Elektromotor tauschen, um dann so wie bisher weitermachen zu können. So funktioniert es einfach nicht! Wir brauchen eine Verkehrswende, die uns weg vom Individualverkehr bringt. Im Schnitt werden mit einem Auto 1,1 Personen befördert. Das muss man sich mal vorstellen! Eine Person fährt mit einer riesigen Blechbüchse herum. Das benötigt extrem viel Energie, auch wenn das Auto elektrobetrieben ist. Wenn man glaubt, sich damit Umweltschützer nennen zu können, stimmt das halt nicht. Es geht darum, sich zu fragen, welche Wege vermieden oder verlagert werden können. Erst dann stellt sich die Frage, was man verbessern kann.

Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig individuelle Freiheit ist. Während des ersten Lockdowns wurde der Öffi-Fahrplan spürbar ausgedünnt. Und nach diesem Lockdown haben viele Menschen, aus Angst einer Ansteckung, wieder ihr Auto verwendet. Gerade im ländlichen Bereich hättest du keine andere Möglichkeit gehabt.

Ich kenne die genauen Zahlen nicht, aber wahrscheinlich hat es dort und da schon Sinn gemacht, den öffentlichen Verkehr runterzufahren, weil einfach viele Menschen im Home-Office waren. Es ist dann nicht sonderlich effizient, alle zwei Minuten eine U-Bahn durch Wien zu schicken, wenn nur drei Leute drinnen sitzen. Prinzipiell gebe ich dir aber recht, dass öffentliche Verkehrsmittel nicht zurückgefahren werden sollten, und die letzte Meile am Land ist eine Katastrophe. Wenn ich mir manche ländliche Gebiete allerdings ansehe, ist das Problem ganz ein anderes: Vor jedem Haus stehen mehrere Autos, weil jedes Familienmitglied ein Auto hat, und neben dem Firmenauto hat man auch noch ein privates und vielleicht auch noch ein Motorrad. Da steht teilweise ein ganzer Fuhrpark vor dem Haus! Es besteht überhaupt kein Bestreben, eine Fahrgemeinschaft zu bilden, weil’s einfach g’miatlicher und schneller ist, wenn man sich mit niemandem abstimmen muss.
Im Talk mit Greenpeace-Mitarbeiterin Jasmin Duregger

Wenn wir vom Land wieder in die Großstadt kommen, wird die ganze Debatte aber auch ein bisschen scheinheilig geführt. In diversen Innenstadt-Cafés braucht man nur manchen Gesprächen zu lauschen. Dort wird in einem Atemzug stolz erwähnt, dass man kein Auto besitzt, und gleichzeitig, dass die Flüge für die nächsten Urlaube schon gebucht sind.

Wir bei Greenpeace fokussieren uns darauf, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das heißt auch, dass wir wegkommen müssen vom individuellen Konsum-Shaming. Also im Sinne von: »Wenn du nicht fliegen würdest, bräuchten wir keine Flugzeuge mehr« oder »Wenn du nicht mit Benzin fahren würdest, dann ...«. Es ist ein bissl das Henne-Ei-Problem. Was war vorher da? Das Bedürfnis oder das Produkt? Da könnten wir jetzt stundenlang darüber streiten. Wir haben politische Vertreterinnen und Vertreter gewählt, die dafür zu sorgen haben, dass wir jetzt ein gutes Leben haben, aber auch die zukünftigen Generationen. Also, warum fangen wir nicht einmal damit an, den Dingen einen richtigen Preis zu geben? Das wäre mal sinnvoll! Wir haben immer noch 4,7 Milliarden jährliche Subventionen für klimaschädliches Verhalten in Österreich. Vieles davon betrifft den Verkehr, wie eine Mineralölsteuerbefreiung auf Kerosin oder eine Umsatzsteuerbegünstigung auf internationale Flüge. Für den internationalen Zug hingegen muss die volle Umsatzsteuer bezahlt werden. Es gibt also Steuerzuckerl für fossile Produkte und Steuerbelastungen für klimafreundlichere Lösungen. Wenn die Rahmenbedingungen richtig wären, würden sich die Menschen viel einfacher für das Richtige entscheiden. Das Klimaticket ist ein schönes Beispiel dafür. Viele Menschen kaufen sich das Ticket, anstatt ins Auto zu steigen oder überhaupt ins Auto zu investieren. Es ist eine kollektive Anstrengung, das System zu ändern, das wir geschaffen haben. Die Politik muss hierfür die Weichen stellen und die richtigen Anreize bieten.

Ist der Klimawandel noch umkehrbar?

Umkehrbar ist er nicht, aber zumindest auf eine gewisse Temperatur stabilisierbar. Das sind diese magischen 1,5 Grad Celsius. Aktuell sind wir bei ca. 1,1 Grad globaler Temperaturerhitzung. In der wissenschaftlichen Community geht man davon aus, dass 1,5 Grad eine relativ sichere Grenze darstellen. Ab dort stehen wir an einem Kipppunkt. Ein Beispiel: Wenn das Eis auf Grönland schmilzt, haben wir weniger weiße Fläche, die die Sonnenstrahlen reflektiert. Dafür hätten wir hingegen mehr dunkles Meer, das das Licht und damit die Wärme absorbiert und Hitze damit fördert. Diese Schleifen sind dann nicht mehr zu stoppen, weil sie selbstverstärkend sind – selbst wenn wir Menschen dann von heute auf morgen überhaupt kein CO2 mehr ausstoßen würden.
»Die lebensfeindlichste Erde ist immer noch besser als irgendein anderer Planet«

Klimawandel, Klimakrise, Klimakatastrophe – die Klimadebatte wird sehr unterschiedlich geführt. Auf einer Skala der drei genannten Wörter: Wo ordnest du den Zustand der Umwelt aktuell ein?

Ich wäre bei der Klimakrise, weil ich glaube, dass man aus einer Krise noch rausfinden kann. Krisen sind menschengemacht, was in dem Fall auch zutrifft. Wir haben in vielen anderen Krisen gesehen, dass wir uns zu helfen wissen. Eine Krise impliziert, dass wir in einen Krisenmodus gehen. Ähnlich wie bei der Corona-Krise, bei der es einschneidende und weitreichende Veränderungen benötigt, um auf lange Sicht ein gutes Leben führen können.

Könnte »auf lange Sicht« auch bedeuten, dass wir den Planeten in 100 oder 150 Jahren einfach verlassen. Multimilliardäre wie Elon Musk, Richard Branson oder Jeff Bezos haben es bereits vorgemacht. Musk meinte sogar, dass wir den Mars »nur« erwärmen müssten, um darauf leben zu können.

Ich wünsche ihm viel Erfolg dabei, eine künstliche Atmosphäre zu schaffen. Jeder, der Wohnungspflanzen hat, weiß, wie schnell sie sterben, wenn man sich nicht um sie kümmert und es nur ein bisschen zu heiß oder zu kalt ist. Wir haben mittlerweile den Bezug zu vielem verloren. Alleine schon wie schwierig es ist, Lebensmittel anzubauen. Wir gehen in einen Lebensmittelmarkt und kaufen uns die Sachen. Aber damit eine Kartoffel wächst, braucht es genügend Regen und darf es nicht zu trocken sein. Und wenn ein Schädling kommt, ist gleich mal die ganze Ernte dahin. Wir Menschen sind auf genau diese Klimaepoche angepasst. Zu glauben, wir könnten uns einfach mal mir nichts, dir nichts anpassen, wird nicht funktionieren. Wenn wir jetzt also glauben, wir könnten einfach mal auf einen Planeten fliegen, der keine Atmosphäre, kein Wasser, keine Schwerkraft, keinen Sauerstoff und auch keinen Strom hat ... also ganz ehrlich ... die lebensfeindlichste Erde ist immer noch besser als irgendein anderer Planet. Zumindest so, wie wir unser Sonnensystem jetzt kennen – ohne Möglichkeit irgendwelcher Wurmlöcher mit Raum- und Zeitreisen.
»Mit dem Klima verhandelt man nicht«

Wenn man Jasmin Duregger als Privatperson betrachtet: Wo bist du eine Umweltsünderin? Wo könntest du dein Privatleben morgen umweltschutztechnisch verbessern? Und wenn nicht morgen, dann übermorgen.

Prinzipiell versuche ich, mich nicht auf diese Diskussion einzulassen. Aber natürlich probiere ich, gewisse Dinge zu beachten. Ich fliege nicht durch die Weltgeschichte. Ich will jetzt aber nicht den Fokus auf meine Person legen, sondern auf meine politische Arbeit.

Das ist jetzt halt auch eine typische politische Antwort.

Das stimmt, okay. Wo ich besser sein könnte: Lebensmittelverschwendung. Ich kaufe mehr ein, als ich verkoche. Und ich kaufe gerne neue Sachen ein. Die alten verkaufe ich dann wieder. Weggeschmissen werden sie nicht. Ich lege jedem den Second-Hand-Laden ans Herz, auch wenn man mich selbst dort nicht finden wird.

Vor ein paar Jahren warst du bei Werbeagenturen, jetzt bist du bei Greenpeace. Wenn du in ein paar Jahren neue Herausforderungen suchst, wohin könnte die Reise gehen?

Gute Frage. Ich weiß es tatsächlich nicht. Ich mag die Freiheiten bei Greenpeace, weil man die Dinge so benennen kann, wie sie sind, und nicht kompromissbereit sein muss. Man kann kompromisslos ansprechen, was das Klima braucht. Mit dem Klima verhandelt man nicht und das Klima lässt sich auch nicht von irgendwelchen politischen Reden oder schönen Bilanzen beeindrucken. Mir ist natürlich bewusst, dass auch viele Menschen auf Unternehmensseite oder in politischen Parteien fürs Klima kämpfen. Dennoch sind sie in Systemen gefangen. Ich könnte natürlich Nachhaltigkeitsexpertin in einem Unternehmen sein, doch wenn sich der CEO nicht dafür interessiert, wird sich nichts ändern.

Das ist auf der Makro-Ebene bei euch doch genauso. Ihr probiert, Entscheidungsträger zu überzeugen.

Das stimmt. Ich trage aber nie einen Maulkorb.

Lieblings-

Buch: 1918 – Die Welt im Fieber: Wie die Spanische Grippe die Welt veränderte (Laura Spinney) 
Film: The Grand Budapest Hotel
Song: Momentan höre ich gerne Songs von Billie Eilish
Schauspieler/in: Christina Hendricks
Motto: Besser nachher entschuldigen als vorher um Erlaubnis fragen. 
Autor/in: Ilija Trojanow
Serie: Dark
Stadt: Wien
Land: Schweden 
Gericht: Chana Masala 
Getränk: Glühwein

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: Die Absage zum Lobautunnel war in den vergangenen zwei Wochen sicherlich das schönste Erlebnis. Wir und viele andere Menschen haben intensiv gegen dieses Projekt gekämpft. Als Umwelt-NGO ist man gewohnt, dass man nicht immer bzw. tatsächlich sehr selten gewinnt. Daher war das wirklich ein Highlight!

Negativstes: Die Vehemenz der Betonierpolitik der Stadt Wien. Die Positionen sind verhärtet und es wird noch ein harter Kampf.

Berufswunsch als Kind

Sängerin

Wen wolltest du immer schon einmal treffen?

Johan Rockström, meinen Lieblingsklimawissenschaftler. Er war auf der Klimakonferenz und leider hatte ich zu viel zu tun, als dass ich ihn dort hätte stalken können. (lacht)

Teenie-Schwarm

Hatte ich keinen.

Café-Bestellung

Glühwein

Ort des Interviews

Christkindlmarkt Freyung
Aufgrund aktueller Corona-Maßnahmen war die Wiener Gastronomie zum Zeitpunkt des Interviews geschlossen, weswegen das Gespräch nicht in einem Kaffeehaus stattfinden konnte. Stattdessen wurde der traditionelle Alt-Wiener Christkindlmarkt bei der Freyung für den vorweihnachtlichen Plausch ausgewählt. Und so wurde zwischen Keksen, Holzhandwerkskunst, Christbaumschmuck und Leuchtsternen, passend zum Umfeld, gemütlich geplaudert. Empfehlenswert für alle, die die Vorweihnachtszeit abseits von überfüllten Großadventsmärkten genießen und im Anschluss noch einen Spaziergang durch die Wiener Innenstadt machen möchten, die nicht weit entfernt ist.