Suche in allen Interviews
Abbrechen
Taxifahrer Christian Krause im Interview
 
       
       
Christian Krause

Wiener Taxifahrer

Gesellschaft
07.07.2021
In Wien gibt es rund 4.500 Taxis und eines davon fährt Christian Krause. Im Interview spricht er über seine Anfänge als Taxifahrer vor über 25 Jahren, erzählt von skurrilen Erlebnissen mit Fahrgästen und verrät, warum er technologische Weiterentwicklungen wie selbstfahrende Fahrzeuge nicht als Gefahr für seinen Berufsstand sieht.

Wie lange übst du den Beruf des Taxifahrers aus und warum bist du einer geworden?

Taxifahrer bin ich seit 25 Jahren, Unternehmer seit 19 Jahren. Davor war ich nach Abschluss einer Computerfachschule im Büro tätig. Ich bin allerdings ein Typ, der immer schon Schwierigkeiten mit der Obrigkeit hatte. Ich wollte mir nie sagen lassen, was ich zu machen habe und dass die Arbeitszeit von 8 bis 16 Uhr dauert.

Mein Vater war jahrzehntelang selbstständiger Taxifahrer und hat mir den Taxischein gezahlt. Er hat das gemacht, ohne dass ich die Verpflichtung hatte, Taxifahrer zu werden, aber mit dem Satz: »Was du hast, das hast du.« Als dann mein Chef im Büro mit einer Überstundenpauschale zum Nulltarif zu mir gekommen ist, wusste ich, dass es nun so weit ist. So blöd es klingt: Als Taxifahrer stehe ich in der Früh auf, wann ich will, und fahr wieder nach Hause, wann ich will. Und wenn ich untertags etwas zu erledigen habe, kann ich es in meiner Arbeitszeit erledigen und rasch mal wo stehenbleiben.

Zu Beginn bin ich nur nebenbei bei meinem Vater gefahren, mit der Zeit bin ich dann täglich Taxi gefahren. Damals war es so, dass du eine dreijährige Berufspraxis gebraucht hast, um die Konzession zu erhalten. Einen Monat vor der Prüfung ist mein Vater gestorben. Ich durfte sein Unternehmen nicht übernehmen und habe mein eigenes gegründet. Kurzzeitig habe ich auf zwei Autos erweitert, habe aber rasch gemerkt, dass mir das Vertrauen in andere Fahrer fehlt. Daher bin ich zurückgerudert und ein Ein-Mann-Betrieb geblieben.

Du bist Einzelunternehmer und gleichzeitig bei 40100 tätig?

40100 ist eine von zwei Funkzentralen ohne eigene Fahrzeuge. Es ist die größte Taxivermittlung Wiens.

Das heißt, Taxifahrer sind in der Regel, wie du, Einzelunternehmer?

Es gibt Einzelunternehmer und Mehr-Wagen-Unternehmer. Die schließen sich bei 40100 an, die das Fahrzeug dann auch überprüfen – auf Schäden, Sauberkeit und so weiter. Wenn das alles in Ordnung ist, wird ein Funkvertrag abgeschlossen mit Rechten und Pflichten. Du kannst das ein bissl mit einem Handyvertrag vergleichen: Jeder Taxifahrer hat eine Grundgebühr. Pro vermitteltem Auftrag wird eine Gebühr an 40100 gezahlt.

Können sich dann Fahrgäste auch direkt bei dir melden, weil sie dich im Speziellen als Fahrer haben wollen?

Ist für Stammkunden möglich, in der Regel aber nicht die Praxis. Und wenn ich gerade in Liesing stehe und mich ruft meine Nachbarin an, weil sie gerne hätte, dass ich sie zum Friseur fahre, mache ich das sicher nicht. Ich fahr ja nicht leer von Liesing nach Stammersdorf, nur um ein paar Minuten zum Friseur zu fahren. Da warte ich in Liesing auf den nächsten Gast und fahr den dorthin, wohin er es möchte. Am Ende geht es darum, mit weniger Kilometern mehr Umsatz zu machen.
Im Interview: Taxifahrer Christian Krause

Weil du vorhin meintest, du bist Taxifahrer geworden, weil du mit Obrigkeiten ein Problem hast: Ist Taxifahrer dann generell ein Beruf für Revoluzzer, die auf der Straße ihr eigener Herr sein wollen?

So krass formuliert kann man es nicht sagen. Obrigkeiten habe ich mit dem Finanzamt und der Krankenkasse ja auch. An gewisse Richtlinien muss ich mich also schon halten. Ich habe ein Problem damit, wenn jemand herablassend mit mir redet, nur weil er meint, oben zu sitzen.

Taxifahrer fragen immer wieder einmal danach, welche Strecke sie fahren sollen, um zur vom Fahrgast genannten Adresse zu kommen. Machen sie das, um zu eruieren, ob sich der Fahrgast auskennt, um im Zweifel mit der längeren Strecke mehr Geld zu verdienen?

Die Fälle gibt es sicherlich. In der Regel ist es aber anders. Bei der Prüfung werden nach aktuellem Stand 201 Routen abgefragt. Den ersten Bezirk muss man eigentlich auswendig können. Und vom zweiten in den 23. Bezirk gibt es insgesamt eben 201 Routen von A nach B. Wir müssen jeweils den kürzesten Weg fahren, können aber nicht jedes Mal alle 201 Routen prüfen. Ich muss also überlegen, wie ich am besten zu der Adresse komme, die mir der Fahrgast nennt – und zwar von dort, wo ich gerade stehe. Oft gibt es mehrere Routen, die in Frage kommen – sei es, weil es weniger Ampeln gibt oder weil ich schneller fahren kann. Und in den Fällen kommt es eben vor, dass der Taxilenker nachfragt. Kann auch sein, dass er gerade erst die Fahrerprüfung gemacht hat und sich einfach nicht auskennt. 

Warum ist als Standardausrüstung nicht ein Navi in jedem Taxi?

Mit Jahreswechsel ist das gekommen, seitdem ist das Pflicht. Aber gib mal Straßennamen ein, von denen du nicht weißt, wie du sie schreibst. Davon gibt es in Wien viele. Oder ein anderes Beispiel: Weder der Fahrgast noch der Taxilenker sprechen gutes Deutsch. Dann hast du in dem Auto ein Problem. Die Sterngasse gibt es in Wien zweimal. Bei mir muss der Kunde den Bezirk dazusagen. Ob er die im ersten oder im 23. Bezirk meint, ist ein Unterschied.
»Vom zweiten in den 23. Bezirk gibt es 201 Routen«

Ist es schon mal vorgekommen, dass ein Fahrgast à la Hollywood meinte: »Folgen Sie dem Fahrzeug!« oder »Fahren Sie so schnell wie möglich, Strafen egal!«?

»Strafen egal«, gibt es nicht, weil das immer an mir hängen bleibt. Was nützt mir das Geld, wenn mir das Verkehrsamt den Taxischein wegnimmt? 

Aber einem Fahrzeug zu folgen, das hatte ich schon mal. Der Fahrgast hat mir gleich zu Beginn erklärt, worum es geht. Er hatte die Vermutung, dass seine Frau ihn betrügt, weswegen ich dem Fahrzeug, in dem sie war, folgen sollte. Der ist nicht schnell gefahren und ich konnte ohne Verkehrsübertretungen einfach folgen. Der Gast hatte dann die Bestätigung, dass seine Frau ihn betrügt, weil sie in das Haus gegangen ist, das er vermutet hatte. Alles Weitere war mir egal. Er hat gezahlt, ist ausgestiegen und fertig. Was dann oben in der Wohnung passiert ist, hat mich nicht zu interessieren. 

Sind dir Tag- oder Nachtdienste lieber?

Rein in der Nacht bin ich nie gefahren, auch wenn es sich mit der Zeit geändert hat. Begonnen habe ich damit, am Nachmittag zu starten und bis in die Nacht hinein zu fahren. Die letzten zehn bis fünfzehn Jahre hat sich das allerdings geändert. Früher haben die Fahrgäste ein paar Bier getrunken und wussten, wann Schluss für sie ist. Paradebeispiel heute: Zahle 25 Euro Eintritt in einem Lokal in den Stadtbahnbögen und trinke, soviel du willst. Wie der dann um zwei in der Früh wieder rauskommt, ist dann auch klar. Was folgt, sind Stänkereien und Schulterklopfer mit Sätzen wie: »Heast, du leiwanda Taxler!« Dazu kommen Gerüche, feuchte Aussprache, mangelnde Sauberkeit und fehlende Tabus, wie einfach mal rasch die Tür aufreißen. Denen ist dann alles egal. Ich habe die Fahrtzeiten also mit der Zeit stündlich von drei auf zwei auf eins auf Mitternacht und letztendlich auf 23 Uhr vorverlegt. Gebe ich ganz offen zu. 

Wenn die Leute zu dir betrunken einsteigen, dich anstänkern, dir auf die Schulter klopfen und diverse Sprüche von sich geben, musst du ein relativ starkes Nervenkostüm haben. Wann ist für dich die Schmerzgrenze erreicht? Wann sagst du: »Freunde, ich fahr euch von A nach B, mehr nicht!«

Wenn jemand das Taxi nimmt, ist es oft so, dass die Leute betrunken sind. Das ist relativ klar, weil sonst würden sie ja noch selbst fahren, mit dem eigenen Auto zum Beispiel. Wenn er aber nicht mehr gehen kann oder mir nicht mal die Adresse nennen kann, braucht er kein Taxi, sondern eine Rettung. Wenn also jemand auf allen vieren daherkommt, dann sage ich »Nein!«. Das größere Problem ist aber, wenn sich jemand angeludelt hat und zu mir kommt. Die sehen dann komischerweise nicht ein, dass ich sie nicht mitnehmen möchte. Ein Fußtritt gegen die Tür ist dann keine Seltenheit. Weil: Ich bin ja der Arsch, wenn ich ihn nicht mitnehme. Mit Schulterklopfern habe ich – in Maßen – kein Problem. Wenn sich jemand bei mir im Auto anludelt, dann schon. Die meisten betrunkenen Männer sind aber weniger ein Problem. Denen sagst du ganz klar: »Freund, jetzt kommst ein bissl runter und bleibst die Fahrt ruhig sitzen!« Die wirklichen Extremfälle sind allerdings die weiblichen Fahrgäste, wenn sie sehr stark angetrunken sind. 
»Es kommt vor, dass weibliche Fahrgäste in Naturalien bezahlen wollen«

Warum?

Keine Ahnung. Ein Beispiel: Ich hatte mal vier Stewardessen ohne Dienstuniform im Fahrzeug. Die waren so besoffen, dass sie mitten am Gürtel bei der roten Ampel rausgehüpft sind und zu irgendeinem Lied aus dem Radio zu tanzen begonnen haben. Als es grün wurde, sind sie wieder reingehüpft. Die anderen Autofahrer haben das lustig gefunden, ich habe mich allerdings geniert.

Wenn betrunkene Männer zum Schulterklopfen beginnen, werden betrunkene Frauen dann auch manchmal anhänglich?

Es kommt durchaus vor, dass sie in Naturalien bezahlen wollen.

Ab welchen Beträgen?

Betrag wurscht. 

Auch wenn die Fahrt nur in den Nebenbezirk geht und zehn Euro kostet?

Nochmal: Betrag wurscht. Auch wenn sie das Geld mithaben, bekommt man Angebote. Wenn ich sage, dass mich das nicht interessiert, und sie zückt in der Sekunde den Geldschein, ist klar, was sie eigentlich wollte.

Woran liegt das? Ist es der Nervenkitzel? Ist es die eigene Unwiderstehlichkeit, die man im betrunkenen Zustand glaubt zu haben? Oder ist es einfach ein Gedanke à la »Der Typ taugt mir, und der soll froh sein, wenn ich ihm das im Nachtdienst anbiete!«?

Das könnte ein Grund sein. Ich glaub aber eher, dass es daran liegt, dass ich ein Fremder bin und sie eine Fremde ist. Wir sehen uns heute das erste Mal und dann nie wieder. Die will halt nur ihren Spaß – steigt der Taxilenker darauf ein oder nicht?

Spricht nix dagegen, oder?

Na ja, sagst du jetzt.

Ich habe keine Ahnung. Wahrscheinlich wird es darauf ankommen, ob sie dein Typ ist oder nicht.

Mag sein, aber es ist ein No-Go.

Weil Berufliches und Privates nicht vermischt wird, oder weil wir ein Interview führen und das Gesagte veröffentlicht wird und deine Frau zu Hause alles durchlesen kann?

Ich erzähle dir eine Geschichte dazu, die tatsächlich passiert ist. Nicht mir, aber einem Kollegen. Er steht in der Nähe von einer Diskothek, und ein betrunkenes Mädel läuft zu seinem Auto, steigt ein und sagt ihm die Adresse mit den Worten: »Ich habe nicht viel getrunken, mir geht es aber nicht gut. Bitte bringen Sie mich nach Hause.« Sie hat ihm während der Fahrt ihr Herz ausgeschüttet. Im Nachhinein hat er den Fehler gemacht, sie bis zur Haustür zu begleiten, eben weil sie betrunken war und es ihr nicht gut ging. Am Tag darauf klopft bei ihm die Polizei an und fragt nach dem Namen einer Frau, die Anzeige gegen ihn erstattet hat. Er meinte, sie nicht zu kennen. Der Polizist hat ihm dann auf die Sprünge geholfen, indem er ihn gefragt hat, ob er eine Frau gestern von Ort A nach B geführt hat. Das hat er bejaht. Dann hat der Polizist gefragt, ob er sie zur Wohnung gebracht hat. Auch das hat er bejaht. Dann hat der Polizist ihm gesagt, dass die Frau vergewaltigt wurde. Später wurde festgestellt, dass sie vergewaltigt wurde, bevor sie ins Taxi gestiegen ist. Das wurde im Spital nachgewiesen. Und: Jedes Funktaxi hat einen GPS-Sender im Auto. Somit konnte bewiesen werden, dass er nach drei Minuten Standzeit wieder gefahren ist. Mit dem Weg hin und zurück zur Wohnung konnte er es also nicht gewesen sein und ihm wurde geglaubt. Dennoch: Der Vermerk ist bei dem Taxifahrer eingetragen und der wird auch nicht mehr gelöscht. Sollte also Jahre später wieder einmal etwas Ähnliches passieren, wird man ihm nicht mehr so schnell glauben, selbst wenn er unschuldig ist. 

Also ja, natürlich kann man auf Angebote einsteigen. Und dann sagt sie am nächsten Tag, dass sie das nie wollte. Dann wird’s schwierig und du hast ein Problem. Außerdem ist es eine Sache des Prinzips. Ich bin auf der Straße, weil ich Geld verdienen will. Meine Frau ist zu Hause. Bin ich ein Betrüger oder bin ich keiner? Die Frage muss sich jeder selbst beantworten.
Im Gespräch mit Taxifahrer Christian Krause

Du sagst immer »Taxilenker«, ich »Taxifahrer«. Gibt’s einen Unterschied?

Das ist total gleich. Was allerdings ein abwertender Ausdruck ist, ist »Taxler«. Wird aber überall in den Medien so gesagt.

Vergleichbar mit dem etwas abschätzigen »Vertriebler« für einen Verkäufer.

Genau. Mich persönlich stört’s nicht, aber es gibt Fahrer, die das stört. Es ist herablassend.

Wie viel Umsatz macht man in einer guten Schicht, wie viel in einer schlechten?

Mit oder ohne Corona?

Zu Normalzeiten, was auch immer diese sind.

Pro Schicht in einem Funktaxi ohne Corona sollten 150 Euro Umsatz in einer Schicht drinnen sein. Wenn wir von Freitag- oder Samstagabend reden, ist es freilich ein bissl mehr. Das Problem daran: Das wissen die anderen Taxilenker auch, weswegen wiederum viel mehr unterwegs sind.

Wie lange dauert eine Schicht?

Total verschieden, das ist Sache des Unternehmers. 6 bis 18 Uhr. 18 bis 6 Uhr. 8 bis 20 Uhr. 20 bis 8 Uhr. Je nachdem.

Und was war bisher die längste Strecke, die du für einen Gast zurückgelegt hast?

Ich kenne Kollegen, die bis Salzburg oder Tirol gefahren sind. Das war bei mir noch nicht der Fall. Mein Vater war mal in Retz an der tschechischen Grenze. Bei mir war es Niederrußbach. Von Wien nach Stockerau kommt zum Beispiel öfters vor. Wenn jemand mit dem Taxi von Wien nach Salzburg will, muss er das, was am Taxameter angezeigt wird, mal zwei zahlen. Ich muss ja wieder leer zurück nach Wien.

Wissen das die Fahrgäste oder wird im Nachhinein dann öfter mal gestritten?

Man sollte es vorher schon sagen. In der Regel macht man sich aber eine Pauschale aus. Die Flughafenpauschale ist von Wien aus aktuell mit 36 Euro festgelegt. Von Wien nach Linz sind es rund 200 Kilometer. Mein Preis wäre dann nicht 200 mal zwei, weil ich die Fahrt nicht verlieren will. Ich halbiere immer die Retourfahrt. Mein Vorschlag an den Gast wären damit 300 Euro. Wenn es in Ordnung für ihn geht, gibt er mir vorab 150 Euro und die zweiten 150 Euro zeigt er mir. Ich kenne viele Geschichten, bei denen Kunden von Wien bis außerhalb des Speckgürtels fahren und dann rausspringen und weglaufen. Sowas verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Meist passiert das bei den älteren Fahrern, weil die nicht mehr hinterherkommen.
»Bei sehr vielen Geschäftsleuten dürfte Grüßen als Luxus gelten«

Welche Fahrgäste sind dir die liebsten? Reisende auf dem Weg zum Flughafen, Geschäftsleute innerhalb Wiens, Partygäste in der Nacht oder Pensionisten, die ihre täglichen Einkäufe zu erledigen haben?

Bei sehr vielen Geschäftsleuten dürfte Grüßen als Luxus gelten. Der steigt ein, ich grüße ihn, er schaut mich an und sagt die Adresse. Beim Aussteigen sagt er, er braucht eine Rechnung. Dann steigt er aus und grüßt wieder nicht. Ist nicht bei allen so, aber bei vielen. Bei Partygästen gebe ich zu, dass ich sie lieber zur Party hinbringe, als dann wieder abzuholen. Bei Pensionisten weiß ich beim Einsteigen sofort, ob es eine Witwe oder ein Witwer ist. Sie steigen ein und reden, reden, reden. Sie reden dann noch weiter, obwohl wir schon längst angekommen sind. Die sitzen alleine zu Hause und haben niemanden zum Reden. Damit habe ich überhaupt kein Problem, wenn’s kein Blödsinn ist.

Was sind blödsinnige Sachen?

Na ja, wenn sie mir dreimal das Gleiche erzählen. Oder falsche Aussagen über Corona à la: »Ich brauche keine Maske, ich bin geimpft.« Das zu erklären ist wirklich nicht meine Aufgabe. Die sollen den Fernseher einschalten und sich das anschauen. Ein Taxi ist wie ein öffentliches Verkehrsmittel – du hast dort Maske zu tragen! Wenn es dann heißt: »Ich setze meine Maske aber nicht auf bei Ihnen!«, sage ich: »Gut, dann kann ich Sie nicht mitnehmen, bitte steigen Sie wieder aus!« Und wenn dann als Antwort kommt: »Das werde ich Ihnen sagen, ob Sie mich führen oder nicht!«, sage ich: »Das glaub ich nicht. Entweder Sie setzen eine Maske auf oder Sie steigen aus und wir fahren nicht. Ganz einfach!« Wer zahlt die Strafe, wenn mich die Polizei aufhält? Ich! Ich bin für die Fahrt verantwortlich. Der Polizist sagt mir, dass ein Busfahrer nicht alle Fahrgäste im Griff haben kann, ich als Taxilenker werde es aber wohl schaffen, dass ein Fahrgast die Maske trägt.

Bist du schon mal bedroht worden?

Ja, schon öfters. Aber überfallen wurde ich noch nie. Das Auto ist mir von Fahrgästen schon beschädigt worden, und gezahlt wurde schon mehrfach nicht, obwohl der Fahrgast schon genau wusste, kein Geld dabei zu haben. Ab einer gewissen Anzahl von Berufsjahren bekommt man für die Leute ein Gefühl. Ich brauche den Revolver manchmal nicht mal zu sehen, um zu wissen, dass da einer ist. Wenn ich ihn aber sehe, kann ich die Fahrt ablehnen, obwohl ich eine Beförderungspflicht habe.

Ist das g’scheit in dem Moment?

Kommt ganz darauf an, weil der natürlich grantig werden kann. Ich sag dann eher, dass meine Frau mich angerufen hat und ich dringend nach Hause muss oder meine Schicht gerade zu Ende ist. Einmal hatte ich die Situation, dass ich die Waffe erst gesehen habe, als der schon im Fahrzeug Platz genommen hat. Jedes 40100-Taxi hat die Möglichkeit, einen Notruf zu senden als lauten oder stummen Alarm. Die Funkzentrale wird automatisch verständigt und sieht über den GPS-Sender sofort, wo man ist.
»Ich brauche den Revolver manchmal nicht mal zu sehen, um zu wissen, dass da einer ist«

Ich bin schon länger nicht mehr mit einem Taxi gefahren, kann mich aber daran erinnern, dass ich die Funksprüche akustisch nie verstanden habe.

Da muss man sich reinhören, das stimmt, ja. Der Sprechfunk an sich ist aber auch schon länger her. Heute wird alles schriftlich übermittelt, außer eben bei Notfällen.

Du übst den Beruf nun seit über 25 Jahren aus. Welche Geschichte ist dir ganz speziell in Erinnerung?

Eine Geschichte, die ziemlich am Beginn meines Taxifahrerlebens passiert ist: Ich bin zu einem Lokal gerufen worden, habe dort das Fahrzeug abgestellt, bin hineingegangen und habe die Kellnerin gefragt, wer das Taxi gerufen hat. Sie meinte, dass der Fahrgast eine blaue Jacke trägt, betrunken ist und bereits draußen wartet. Ich bin raus und mit ihm gemeinsam zum Wagen, wo er mir einen Ausweis mit seiner Adresse gezeigt hat. Auf einmal fängt er an, im Wagen herumzuspucken. Ich sage ihm, er soll damit aufhören, weil ich ihn sonst rausschmeiße. In einer Kurve fällt er auf einmal um und bewegt sich von da an nicht mehr. Ich habe sofort die Funkzentrale verständigt, die wiederum sofort Polizei und Rettung verständigt hat. Die Rettung hat dann festgestellt, dass er nicht betrunken war, sondern einen Zuckerschock hatte. Er wurde von der Rettung mitgenommen und ins Spital gebracht. Keine zwei Wochen später hat mich der Fahrgast ausfindig gemacht, bei mir angeläutet und mir den dreifachen Betrag des damals nicht bezahlten Fahrtgelds gegeben.

Ein anderes Mal wollte ein Fahrgast so schnell wie möglich ins AKH, weil er die doppelte Medikamentenmenge eingenommen hatte. Die Ärzte meinten, er soll so rasch wie möglich kommen und sich den Magen auspumpen lassen. Er hatte kein Geld dabei und seine Bankomatkarte hat nicht funktioniert. Er ist dann rasch ins Spital. Von ihm habe ich nie wieder etwas gehört.

Die skurrilste Geschichte ist auf der Wagramer Straße passiert. Ein Auto hat mich geschnitten und ich musste eine Notbremsung machen. Die ältere Dame auf der Rückbank ist mit ihrer Stirn an den Vordersitz geknallt. Dabei ist ihr das Gebiss rausgefallen. Als ich sie gefragt habe, ob sie eine Küchenrolle oder ein Putzmittel benötigt, hatte sie das Gebiss schon wieder drinnen. Wirklich steril war die Fußmatte halt nicht.
Im Interview mit Taxifahrer Christian Krause

Hast du schon mal überlegt, LKW-Fahrer zu werden? Auch in diesem Beruf bist du auf der Straße, hast aber von den Fahrgästen deine Ruhe.

Das stimmt schon. Das Problem ist aber, dass der Chef will, dass du zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort bist. Und du bist womöglich illegal unterwegs, obwohl du Pause machen müsstest. Das ist schon mal das Hauptmanko.

Was ich auch nie sein könnte: Autobuslenker oder Straßenbahnfahrer. Die fahren immer dieselbe Strecke. Bei der Straßenbahn kommt noch dazu, dass der nicht mal lenken kann! Auch der LKW- Fahrer fährt andauernd dieselbe Autobahn hin und her. Ich hingegen fahr in Wien spazieren. Ich bin ja schon ang’fressen, wenn ich von Stammersdorf zum Bahnhof Floridsdorf fahre und dort dann ein Fahrgast einsteigt, der nach Stammersdorf will. Kann der nicht in Strebersdorf wohnen, damit ich einmal die Brünner und einmal die Prager Straße fahren kann? Mir geht’s um die Abwechslung. Jeder Typ, der einsteigt, ist anders – lustig, grantig und so weiter. Der Taxilenker ist – wie der Friseur – ein Psychiater. Die Leute kennen mich nicht und ich kenne sie nicht. Die kennen meinen Namen nicht und werden mich wahrscheinlich nie mehr wieder sehen. Man hört viele Geschichten, die einem das Herz zerreißen. 

Wie geht’s dir als Fahrgast in einem Taxi?

Bin ich nicht, kann ich nicht.

Wie jetzt?

Ich bin kein Fahrgast in einem Taxi.

Auch nicht in anderen Städten?

In fremden Ländern schon, aber mit Krämpfen. Ich kenne die Unsitten von Umwegen. Ich würde nie einsteigen, wenn ich nicht das Fahrtziel oder die richtige Strecke kenne. Außerdem bemerke ich sofort, wenn etwas falschrennt, da ich das eben schon seit 25 Jahren mache. Da geht es um den Zustand des Autos, um das Gewand vom Taxilenker, um den Geruch im Auto und so weiter. Ich bin kein guter Mitfahrer, auch privat nicht.

Wie geht es dir mit technologischen Weiterentwicklungen, wie selbstfahrenden Autos?

Passieren kann immer etwas – sei es mit einem selbstfahrenden Auto, aber auch mit einem Lenker, der nicht aufpasst. Selbstfahrende Autos können im Taxigewerbe allerdings nie und nimmer funktionieren. Ein paar Beispiele: Eine alte Frau ruft an und sagt, sie braucht Hilfe beim Gehen im Stiegenhaus, weil sie sonst gar nicht erst auf die Straße kommen kann. Wie findet eine blinde Person das Fahrzeug, das erst etwas weiter stehen bleiben kann? Was machen Menschen, die Gepäck zum Tragen haben, es alleine aber nicht schaffen?

Lieblings-

Buch: Ich bin kein Buchleser, sondern Zeitschriften- und Tabletleser.
Film: Filme schaue ich weniger als Serien.
Song: Alles, was im Taxi im Radio läuft. Und wenn etwas stört, wird weitergedrückt. 
Schauspieler/in: Habe ich nicht wirklich.
Motto: In Zeiten wie diesen: »Überleben!«
Autor/in: Muss ich passen.
Serie: Da gibt es viele – von Krimis über Komödien und Action, quer durch.
Stadt: Wien
Land: Österreich
Gericht: Spareribs
Getränk: Kaffee und Wasser – beides berufsbedingt.

Persönliches Mitbringsel

In der Sonnenklappe von meinem Fahrzeug habe ich immer ein Foto von meinem Sohn mit dabei. Ich bin seit 19 Jahren Unternehmer und mein Sohn ist ebenso 19 Jahre alt. Er ist im März zur Welt gekommen, als ich mein Unternehmen gegründet habe. Jedes Jahr, nachdem in der Schule ein neues von ihm gemacht wurde, habe ich es gegen das alte im Auto ausgetauscht. Jetzt hat er maturiert und den Zivildienst hinter sich, womit das letzte Bild in der Sonnenblende bleibt.

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Ich sag’s von dieser Woche. Ich hatte gestern eine Untersuchung unter Vollnarkose. Das negativste Erlebnis war die Nervosität vor der Untersuchung. Das schönste Erlebnis war, dass die Untersuchung gut ausgegangen ist.

Berufswunsch als Kind

Zu Beginn wollte ich Arzt werden. Je älter ich geworden bin und je stärker ich mitbekommen habe, was mein Vater mit seinen drei Autos zu tun hatte, desto mehr kam der Wunsch, Taxifahrer zu werden. Er war sein eigener Chef und hat gut verdient, wobei man sagen muss, dass es damals andere Zeiten waren. Damals hast du das Taxigeld genommen und in dein Haus investiert – ohne Kredit! Das ist sich damals finanziell ausgegangen. Die Zeiten sind schon lange vorbei.

Wen wolltest du immer schon einmal treffen?

Prominente sind schon viele in meinem Auto gesessen – Michael Häupl, Michael Niavarani, Andreas Vitásek, Claudia Reiterer oder auch die Ursula Stenzel. Michael Häupl ist sogar oft mit dem Taxi gefahren! Wen ich auch schon mal getroffen habe: Niki Lauda. Er war nicht direkt bei mir im Auto, sondern wollte mich nur als Lotsendienst, der vorfährt. Ihm als Sparefroh war allerdings nicht so ganz klar, dass das nicht gratis ist und ich meinen Taxameter angeschaltet habe. Ich musste ihm dann erklären, dass es auch für Niki Lauda nicht gratis ist. Er hat dann etwas zögerlich gezahlt. (lacht) Wer mir aber irgendwie imponiert, ist der Formel-1-Fahrer Max Verstappen. Den zu treffen, könnte ich mir gut vorstellen.

Teenie-Schwarm

Pamela Anderson

Café-Bestellung

Wiener Melange

Ort des Interviews

Gelateria Leonardelli
Die Gelateria Leonardelli ist ein Familienbetrieb in dritter Generation und wurde vor über 100 Jahren gegründet. Den Startpunkt machte 1890 Lodovico Leonardelli, der aus dem Bergdorf Spormaggiore in Südtirol nach Wien gekommen ist, um beim Bau der Wiener Stadtbahnbögen zu helfen. 1900 hat er dann seine Gewerbeberechtigung erhalten und war somit gekommen, um zu bleiben. Mittlerweile betreibt die Familie Leonardelli drei Standorte – zwei in Wien und einen in Klosterneuburg. Das Interview wurde bei der Filiale in Wien-Stammersdorf geführt.