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Kochlehrer Thomas Hüttl im Gespräch
 
       
       
Thomas Hüttl

Kochlehrer

Gesellschaft
16.02.2021
Thomas Hüttl ist Kochlehrer und wusste bereits mit neun Jahren, dass er Koch werden möchte. Nach unterschiedlichen Stationen in Hotels, Restaurants, Catering-Unternehmen und auf einem Weingut hat er 2006 sein eigenes Kochatelier eröffnet. Seitdem hat er über 1.400 Kochkurse geleitet.

Du bist relativ schlank, schmeckt dir dein eigenes Essen nicht?

Es ist ein Irrglaube, dass Köche dick sind! Ich habe keine Statistik parat, bin aber überzeugt davon, dass in Büros weit mehr dicke Leute sitzen. Der Beruf des Kochs ist viel zu stressig, vor allem in der Gastronomie. Dort kämpfst du eher mit Gastritis. Die 20 Jahre, in denen ich in der Gastronomie gearbeitet habe, habe ich wahrscheinlich zwei festere Kollegen kennengelernt. Das sind dann eher die Küchenchefs, die nicht mehr so viel Stress haben, weil das Lokal gut von selbst geht. 

Beim legendären deutschen TV-Koch Alfred Biolek wurde gerne mit einem Glas Wein angestoßen – entweder kurz vorm Essen oder schon während des Kochens.

Das ist das sogenannte Arbeitsachtel! (lacht)

Was trinkst du während des Kochens?

Weißwein! Den gibt es auch bei mir in den Kursen. Vorab gibt es zur Begrüßung einen Aperitif, bei dem das Kursprogramm besprochen wird. Dann wird geschnipselt und geschnitten und danach gibt es ein Achtel Wein.

Bleibt es dann beim Achtel, oder ...?

Das ist sehr von der Gruppendynamik abhängig. (lacht) Wenn es eine lustige Runde ist, sind es dann schon zwei. Und zu jedem Gang gibt es natürlich noch ein Glas. Man muss das schon ein bisschen unter Kontrolle halten. Bei drei oder vier Achteln während der Arbeit würde dann schon die Konzentration verloren gehen.
Kochlehrer Thomas Hüttl im Interview

Orientiert man sich als Kochlehrer an anderen Köchen, wie beispielsweise Fernsehköchen?

Ich nicht, da ich nicht fernsehe. Fernsehköche sind für mich daher irrelevant. Ich kenne natürlich andere Kochschulen, weiß allerdings nicht wirklich, wie die ihre Kurse abhalten, auch wenn wir schon mal darüber gesprochen haben, jeweils einen Kurs in der anderen Kochschule abzuhalten. Kurz bevor wir das umsetzen wollten, kam der erste Lockdown.

Du bietest unterschiedliche Kochkurse an: französische Küche, indische Küche, Thai-Menüs, amerikanische Burger, Sushi, Fisch, klassisch österreichisch oder auch Low-Carb-Gerichte. Wer sind die geschickteren Schüler – Männer oder Frauen?

Rein von der Anzahl überwiegen sicherlich die Männer. Ich würde auch sagen, dass die sich geschickter anstellen. Kochen ist doch sehr technisch. Männer, wenn sie sich damit beschäftigen wollen, wollen es dann wirklich wissen. Frauen sind dann doch eher intuitiver.

Gab’s schon Kochschülerinnen oder -schüler, bei denen du dir dachtest, dass Hopfen und Malz verloren sind? Bei denen einfach nichts, aber auch gar nichts funktioniert hat – falsche Temperatur am Herd, schlecht geschältes Gemüse, versalzen, angebrannt ... schlichtweg: einfach grauslich.

Ja, gab’s schon. Aber es sticht dann nicht so raus, da es qualitativ hochwertige Kochkurse sind. Soll heißen: Wir sind kleine Gruppen von maximal zehn Personen. Es kocht nicht jeder sein eigenes Ding, sondern alle kochen alles gemeinsam. Damit liegt auch kein Gericht in der Verantwortung von nur einer Person, außer in meiner. Es können also nur bedingt Fehler gemacht werden. Aber natürlich gab es auch Leute, bei denen ich mir dachte: »Um Gottes willen, bitte ein bisschen Hausverstand!« (lacht)

Was waren das für Momente?

Wir haben einmal ein sehr gehobenes, elegantes Gericht gemacht – gerollte Saiblingsfilets! Der Fisch wurde filetiert, das Fleisch fast zur Gänze von der Haut gelöst und im Anschluss mit Farce beschmiert. Dann wurde das Fleisch eingerollt, zum Schluss kam die Haut rundherum, und danach wurde angebraten, um es schön knusprig zu machen. Der Kursteilnehmer hat sie zum Umdrehen nicht einfach um die Achse gerollt, sondern seitlich gequetscht und so probiert zu wenden. Er hat die Fischröllchen eher wie ein Steak am Grill behandelt.

Gibt’s etwas, das du nicht kannst ... auf die Küchen- und Kochfähigkeiten bezogen?

Sicher sogar! Beef Wellington habe ich ein- oder zweimal toll hingebracht, aber öfters doch eher unzufriedenstellend. Pasteten zuzubereiten habe ich in meiner Lehrzeit gelernt, seitdem aber kein einziges Mal mehr gemacht und daher schon fast vergessen. So etwas macht man heute einfach nicht mehr selbst. Wäre eigentlich mal wieder spannend zu probieren! Kalbsbries habe ich vor Kurzem einmal gemacht, womit ich auch unzufrieden war. Und, was mir eigentlich am wichtigsten wäre: Aus den jeweiligen Fischen die jeweilige Sushiform korrekt herauszuschneiden ist eine hohe Kunst, die man nur durch eine jahrelange Ausbildung zum Sushimeister lernt. Die Zeit dafür will ich nicht mehr aufbringen. Ich denke aber, dass ich es gut hinbekommen würde, wenn ich einem Sushimeister zusehen dürfte.

Ansonsten: Ich kann, glaube ich, sehr schön anrichten, wobei ich aber sicherlich zur alten Schule zähle. Die modernen Arten mit Tupfern rundherum sind ganz nett, wenn sie zur Speise passen, aber bei jeder Speise ist das nicht notwendig. Dieses hippe Anrichten ist nicht so meines und täuscht manchmal schon sehr über die eigentliche Sache hinweg. Gut wäre es, wenn man, gerade als Kursleiter, diese Art anzurichten besser beherrschen würde.
Kochlehrer Thomas Hüttl im Gespräch

Was ist dein 1er-Menü, das du machen würdest, um eine Frau zu beeindrucken, wenn du sie das erste Mal zu dir nach Hause einladen würdest?

Das muss man auf die Person abstimmen. Ich wollte mal meine Frau einkochen und sie war total entsetzt! (lacht) Es war ihr viel zu trocken, weil keine oder wenig Sauce dabei war. Sie kommt aus Kroatien, wo alles schwimmt. Das war die erste Frau, die mir gesagt hat, dass ich einen Scheißberuf habe und ich total arm bin, weil ich ja dauernd nur hinter der Fritteuse stehe! (lacht) Alle anderen waren immer total begeistert davon, dass ich Koch bin.

Aber um etwas zu nennen: Ich würde südfranzösischen Fisch mit Fenchel und Orange zubereiten! Das ist etwas Exotisches, bei dem anfänglich viele überrascht sind. Sobald sie es aber essen, schmeckt es ihnen total gut. Oder, wenn man etwas mutiger ist: thailändische Hühnerleber mit Currypaste. Das schmeckt auch Leuten, die sich normalerweise überhaupt nicht für Leber begeistern lassen. Ein bisschen fordern ist auch beim ersten Date gut, das würde ich mir nicht nehmen lassen!

Geht Liebe wirklich durch den Magen oder mehr durch die Adern, die durch den nebenher getrunkenen Wein angeregt werden?

Also, wenn du zu viel isst, hast du keine Lust mehr, weil du dann voll bist – da brauchst du vorher mal eine Stunde Pause! (lacht) Aber ja, ich würde sagen, Liebe geht mit gutem Wein durch die Adern!

Wenn du zu Freunden eingeladen wirst: Kannst du das Essen in Ruhe genießen, oder wirst du nicht mehr eingeladen, weil alle befürchten, dass der Koch wieder etwas am Essen auszusetzen hat?

Wir werden relativ wenig eingeladen, das stimmt schon. (lacht) Wenn die Sachen frisch, nicht versalzen und auch nicht angebrannt sind, bin ich schon zufrieden. Ich bekomme schon immer wieder gesagt, dass ich kritisiere. Das mache ich aber nur, wenn man mich fragt. Und dann gebe ich eben eine Profi-Antwort. Meine Frau sagt immer, ich soll sagen, dass es großartig war. Ich könnte meine eigenen Speisen allerdings auch in der Luft zerreißen, weil es immer besser geht! Es kommt echt selten vor, dass ich mir denke, etwas perfekt hinbekommen zu haben. Zufrieden bin ich oft, wenn ich es allerdings analysiere, geht es halt meist doch noch besser. Deswegen ist es vielleicht bissl blöd, mich nach meiner ehrlichen Meinung beim Kochen zu fragen. Meine Frau hat wahrscheinlich recht, dass ich einfach zustimmen sollte, dass es eh gut war. 
»Bevor ich ein Leben lang nur eine Speise esse, lasse ich mir einen Finger amputieren«

Wenn du dich bis zum Ende deines Lebens für ein Gericht entscheiden müsstest, das von der Entscheidung an tagtäglich zu essen wäre, welches wäre es und warum?

Puh, das ist ja undenkbar! Bevor ich mich dafür entscheiden würde, würde ich viele andere Qualen auf mich nehmen.

Zum Beispiel?

Keine Ahnung, irgendeinen Schmerz, irgendeine Verletzung. 

Eine Amputation?

Einen Finger weniger würde ich aushalten im Vergleich zu nur einer Speise ein Leben lang. Hmm ... aber wenn: Coq au Vin mit wechselnden Beilagen! 
Kochlehrer Thomas Hüttl im Interview

Nehmen wir an, Studentinnen und Studenten lesen dieses Interview. Was kannst du bei folgenden Zutaten zur Zubereitung empfehlen: eine halbe Banane, eine Dose Matjes-Filet, Butter, Kichererbsen, Marillenmarmelade, Nudeln, Knäckebrot und eine Flasche Wodka.

Zwiebel und Knoblauch sind schon auch da, oder? Sowas liegt doch immer irgendwo ausgetrieben herum. 

Kann man sich gerne von der Neben-WG holen.

Mit dem Öl vom Matjes Zwiebel und Knoblauch anschwitzen und dann mit den Kichererbsen zu einer Suppe kochen – eventuell mit Kräutern und Gewürzen, falls noch welche zu finden sind. Nudeln würden als Einlage auch gut passen. Die Marmelade würde ich ein bisschen mit dem Wodka anrühren und zur angebratenen Banane geben, als Nachspeise. 

2020 ist das Jahr der Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen. Welche Kniffe hast du parat, die jeder Mann und jede Frau zu Hause in der Küche anwenden kann? Kleine Hacks, die keine Hexerei sind, aber eine deutliche Geschmacksverbesserung bringen.

Sich qualitativ wirklich tolle Öle besorgen und die viel mehr verwenden! Mit gutem Öl kannst du sogar abnehmen, da sie entschlackend wirken. Alles unter 15 oder 20 Euro den Liter kannst du allerdings vergessen. Das ist ähnlich wie beim Wein. Jeder Jahrgang ist anders. Bei gutem Öl brauch ich kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich fett koche. Zum Erhitzen würde ich nur Butterschmalz oder Bratöl aus der Drogerie oder dem Bioladen nehmen, aber keine Margarine.

Lieblings-

Buch: Dave (Raphaela Edelbauer), Das flüssige Land (Raphaela Edelbauer), Wendezeit (Fritjof Capra)
Film: Night on Earth, Brazil
Song: Starless (King Crimson)
Schauspieler/in: Woody Allen
Motto: Kochen ist wie Musik.
Autor/in: Franz Kafka, Hermann Hesse 
Serie: Bates Motel, The Good Fight 
Stadt: Venedig, Lissabon
Land: Portugal, Kroatien
Gericht: Coq au Vin
Getränk: Wein

Persönliches Mitbringsel

Eine gute Flasche Wein hätte ich mitgenommen.

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: Mein bester Jugendfreund ist 50 geworden und wir haben gemeinsam gefeiert. Alle haben davor Corona-Tests gemacht und waren negativ. Wir haben getanzt und uns total weggeschossen. Dieser Durst nach sozialem Austausch war schon extrem zu merken. 
Negativstes: Der Tag darauf mit Schädelweh! (lacht)

Berufswunsch als Kind

Bevor ich Koch werden wollte, wollte ich Feuerwehrmann und Rockstar werden.

Wen wolltest du immer schon einmal treffen?

Nick Cave

Teenie-Schwarm

Romy Schneider und Monica Bellucci

Café-Bestellung

Melange

Ort des Interviews

Café Cay
Das Café Cay befindet sich am Yppenplatz in Ottakring und damit in einem der Hipster-Zentren Wiens. Es wird damit geworben, dass die begehrtesten veganen Torten, großartiger Kaffee und Bio-Frühstücksvariationen angeboten werden. Achtung: Montag ist Ruhetag, dafür ist am Sonntag geöffnet, was am Yppenplatz aufgrund diverser sonst geschlossener Marktlokale nicht selbstverständlich ist.