Suche in allen Interviews
Abbrechen
Im Gespräch mit Bianca Blasl & Wilhelm Geiger
 
       
       
Bianca Blasl & Wilhelm Geiger

Agrarökonomin & Sozioökonom

Gesellschaft
22.05.2022
Bianca Blasl ist studierte Agrarökonomin, Journalistin sowie Kommunikations- und PR-Beraterin für Landwirtschaft und Kulinarik. Außerdem betreibt sie den Blog »Melange in Gummistiefeln«, in dem es um Essen und Landwirtschaft geht. Wilhelm Geiger ist gelernter Koch und Sozioökonom. Den Großteil seines beruflichen Lebens hat er im Lebensmittelbereich und in der Gastronomie verbracht. Wie das Leben so spielt, überschneiden sich die Lebenswege der beiden und sie starten das gemeinsame Buch- und Podcastprojekt »Bauer to the People«. Ihr Ziel: der gesellschaftlichen Entfremdung beim Thema Lebensmittelproduktion entgegenwirken, um wieder ein Gespür füreinander und fürs gemeinsame Essen zu entwickeln. Woher kommt das Schwein, das zum Schnitzel wurde, und welcher landwirtschaftliche Betrieb steht dahinter? Diesen und weiteren Fragen gehen Blasl und Geiger auf den Grund und lassen dabei Bauern, Fleischer, Konsumenten, Wirte und noch viele weitere Akteure zu Wort kommen. 

Bianca soll von euch beiden die Zugänglichere sein, Willy eher der Mürrische. Wird es ein Good-Cop-Bad-Cop-Interview?

Willy: Ist mir gleich. Ich finde, für solche Spiele müssen wir offen bleiben.

Bianca: In Wirklichkeit ist er urlieb! Er sagt von sich selbst, dass er der Mürrische ist.

Also in Wirklichkeit ist es Fishing for Compliments.

Willy: Grundsätzlich bin ich schon mürrisch bzw. eigentlich ambivalent.

Ziemlich wienerisch.

Bianca: Er ist ein gelernter Wiener, obwohl er Salzburger ist.

Willy: Du bist eine Optimistin, und die halte ich für wahnsinnig, weil sie die ganze Zeit an der Realität vorbeischauen! Für mich ist es schwierig, blauäugig durch die Welt zu laufen, auch wenn »Bauer to the People« der Versuch dazu ist. 

Bianca: Es stimmt schon, dass du pessimistisch bist. Gleichzeitig bist du am Ende des Tages immer wahnsinnig pragmatisch, was ich sehr an dir schätze. Wenn alles rundherum oasch ist, dann putzt sich der Willy das von den Schultern, weil es um die Sache geht. 

Im Buch steht, dass Willy manchmal ein bisschen verkopft ist.

Bianca: Das schreibt er über sich selbst!

Willy: Und du sagst es die ganze Zeit. Deswegen schreibe ich es. Bissl wie das Henne-Ei-Problem.

Meine letzte Interviewpartnerin, Jazz Gitti, würde sagen, dass du ein bissl zu viel hirntschecherst.

(Bianca lacht)

Willy: Manchmal bleibt dir auf dieser Welt nur das Tschechern über, deswegen tschecher ich wahrscheinlich manchmal ein bissl viel Hirn.

Man könnte auch viel träumen.

Willy: Was hilft mir die Träumerei?!

Bianca: Das ist mehr mein Part.

Willy: Träumen ist deppert.

Weil du den Kater am Tag darauf haben möchtest.

Willy: Du beschreibst gerade die Realität. Träumen ist fern der Welt. Eh schön, aber wozu soll ich mich dort hinretten? Mit der Realität und der Welt hat’s nichts zu tun. Ich mach mir lieber Gedanken über Sachen, die rund um mich herum sind. 

Bianca: Bei all seiner Verkopftheit kann er sehr komplexe Themen – Systemtheorie zum Beispiel – extrem einfach herunterbrechen. Sogar ich versteh’s dann. Das finde ich echt faszinierend.

Willy: Das ist jetzt halt auch Fishing for Compliments.
Im Interview: Agrarökonomin Blasl & Sozioökonom Geiger

Als ich das erste Mal den Instagram-Auftritt von »Melange in Gummistiefel« gesehen habe, war ich einerseits fasziniert und andererseits wusste ich nicht, was ich mit geschlachteten Tieren, rohem Fleisch und einem lachenden Mädel daneben anfangen soll. Ich habe mich gefragt, wann dieser Account von Instagram gelöscht wird, bis ich verstanden habe, worum es überhaupt geht.

Bianca: Das war auch Willys größte Kritik an meinem Instagram-Account. 

Willy: Ich hätte es komplett anders aufgezogen. Aus meiner Sicht war es zu sehr auf Influencer gemacht. Die tragen alles sehr stark nach außen.

Bianca: Mittlerweile würde ich es wahrscheinlich auch anders machen. Ich bin halt ein sehr intuitiver Mensch. Wenn sich etwas richtig anfühlt, dann mach ich’s einfach. Mir gingen in der Landwirschaftsbubble immer diese wahnsinnig kitschigen Bilder auf die Nerven. Alle regen sich über das sprechende Schweinchen und den unrealistischen Kitsch drumherum auf. In der Landwirtschaft selbst hat es aber niemand anders gemacht. Gleichzeitig regt man sich darüber auf, dass der Konsument nicht mehr versteht, woher sein Essen kommt. Ich wollte auf meine Art und Weise mit Schmäh die Geschichte dahinter rüberbringen. 

Wäre es realistischer, wenn der Bauer in der Werbung das Schwein einfach mal mit der Bolzenschussmaschine begrüßt?

Bianca: Jep. Aber es ist halt nicht der Auftrag von Werbung. 

Sollte die Werbeagentur auf euch aufmerksam werden, würdet ihr bei einem Dreh dabei sein? Würdet ihr die Verantwortung über die Kreation eines Spots übernehmen?

Bianca: Wahrscheinlich schon.

Willy: Nein.

Warum bzw. warum nicht?

Willy: Jetzt sind wir wieder bei der Soziologie und beim Verkopften der Systemtheorie. Es ist nicht die Aufgabe der Werbung und des Handels, die Dinge so zu zeigen, wie sie sind. Irgendein Verkäufer kommt auch nicht zu dir und erzählt dir alles über sein Produkt. Das erwartet man sich auch nicht. Und wenn man es sich erwartet, ist es eine moralisch dumpfe Erwartung. Der kommt aus seiner Rolle ja auch nicht heraus und ist in seinen Zwängen gefangen. Etwas anderes von einer Rolle zu erwarten als das, was sie spielt, ist naiv und blöd. Es geht also nicht darum, dass die Werbung etwas erfüllt, was eigentlich von jemand anders zu erwarten ist. Das Problem ist, dass die Werbung überproportional vertreten ist. Sie ist überrepräsentiert und wirkt damit verzerrend.

Bianca: Wenn ich mir die Brille der Kommunikationstante aufsetze, würde ich zustimmen mitzumachen, weil ich weiß, dass die Geschichte funktioniert. Es geht darum, dass die Berührungspunkte zum Fleischer oder zum Bauern abhandengekommen sind. Die Leute gehen ja nicht in den Supermarkt einkaufen, weil sie deppert sind, sondern weil es der heute effiziente Nahversorger ist. Dadurch haben sie aber den Kontakt verloren, weil beim Fleischer hat man früher vielleicht mal über das Schnitzel und den Bauern gesprochen. Damit hat man besser verstanden, wo und wie das Schwein gelebt hat. Das ist uns abhandengekommen. Hier springen wir ein. Diese Geschichte zu erklären, funktioniert sicherlich besser als die des sprechenden Ja- natürlich-Schweinchens.
Interview im Café Mocca mit Bianca Blasl & Wilhelm Geiger

Seit den 50ern ist die Zahl der Heuriger in Wien um knapp 80 Prozent zurückgegangen, bei fast gleichbleibender Anbaufläche der Weinreben. Ähnlich sieht es österreichweit bei Schweinebetrieben aus, nur dass sich die Zahl von ca. 112.000 Betrieben auf etwas unter 20.000 seit Mitte der 90er noch rascher nach unten entwickelt hat. Könnt ihr solche Entwicklungen kurz, prägnant und verständlich erklären?

Willy: Kleine betriebliche Strukturen – egal ob Bauern, Heuriger, Fleischer oder Bäcker – gehen sich langfristig im Wettbewerb nicht mehr aus. Viele erhalten ihren Betrieb mittlerweile nur noch als Hobby, weil man mit kleinen Regionalmengen nicht mehr überleben kann. Außerdem wollen die Konsumenten alles an einem Ort bekommen. Daher gehen sie zum Supermarkt und nicht separat zum Bäcker, zum Fleischer, zum Milch- und zum Gemüsebauer. Die wollen nicht fünf Stunden einkaufen, sondern schnell rein, und die restlichen Stunden wird etwas anderes gemacht. Die Leute haben Stress.

Bianca: Österreich ist in kleinen Strukturen aufgestellt. Wenn du in den Westen schaust, geht es durch die Berge gar nicht anders. Früher waren die Bauernhöfe noch total divers, wie man es sich im Bilderbuch idealerweise vorstellt. Vom Schwein über die Milchkuh bis zum Hendl hatte er alles. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es darum, das Land wieder aufzubauen. Mit Agrarförderungen konnten günstige Lebensmittel produziert werden. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Landwirtschaften spezialisierter, weil mehr vom gleichen Produkt zu einem geringeren Preis produziert werden konnte. Teilweise ist es bis heute so, dass Produkte, die preislich über dem Weltmarkt liegen, subventioniert werden. Das heißt aber auch, dass du wachsen musst, um überleben zu können. Wachse oder weiche. 
»Der Weltmarkt ist eine Bitch«

Wenn man das hört, muss man pessimistisch sein. Die europäischen Länder sind im Vergleich zu asiatischen oder amerikanischen Ländern viel kleiner strukturiert. Das würde bedeuten, dass wir früher oder später gar nichts mehr selbst produzieren. 

Willy: Die Frage ist, wie man die Dinge bewertet. Dazu könnte man ein eigenes Buch mit dem Titel »Kostenwahrheit« schreiben. In unseren Preisen sind die meisten Kosten gar nicht enthalten. Umweltkosten und gesellschaftliche Kosten sind nicht berücksichtigt. Nur die privaten Kosten wie Produktionskosten sind drin, aber Schäden sind keine eingepreist. Wenn man es aus Sicht von Gemeingütern betrachtet, muss man sich die Frage stellen, wie wichtig die Ernährungssicherheit im eigenen Land ist! Wenn ein Bauernhof verfällt und die Böden nicht bearbeitet werden, kannst du den Bauernhof nicht einfach wieder rasch aufsperren. Das Land wird dann von Nahrung genauso abhängig sein, wie wir es heute vom russischen Gas sind. Wenn wir alles nur ökonomisch am Weltmarkt bemessen, gibt es keine österreichische Milch mehr. 

Bianca: Genau das ist der Hintergrund der Subventionen. Es wird garantiert, dass ein Liter Milch zu einem Fixpreis abgenommen wird – unabhängig vom Weltmarkt. Wir können halt nie besser produzieren, weil immer jemand anders billiger sein wird. Der Weltmarkt ist eine Bitch!
»Vollkornkost für Gesellschaftstheorie interessiert kein Schwein«

Der Titel eures Buchs »Bauer to the People« ist angelehnt an den Schlachtruf »Power to the People« der revolutionären Black-Panther-Bewegung der 60er und 70er. Wie viel Revolution steckt in eurem Projekt?

Willy: So viel, wie die Menschen daraus machen. Ich traue mich zu sagen, dass die Idee dahinter grandios ist! Wir wollen keine Sprechpuppen darstellen, die glauben Experten zu sein und damit stellvertretend für andere sprechen zu müssen. Im Buch und im Podcast geben wir Antworten, indem wir Fragen stellen.

Bianca: Es gibt im Buch einen Teil mit unserer Perspektive. Das Buch ist über QR-Codes mit dem Podcast verbunden. Dort kann man reinhören, was die Bauernfamilien dazu denken. Im besten Fall entsteht auf unserer Website ein Diskurs darüber.

Willy: Die Welt wird immer schneller, komplexer, stressiger, spannender und dadurch auch spannungsreicher. Das kommt durch Arbeitsteilung und eine hohe Spezialisierung. In diesem Bereich ist man dann Experte und kennt sich aus. Einen Schritt daneben kennst du dich aber schon nicht mehr aus und bist fremd. Wir brauchen also wieder mehr Verbindung, die uns zeigt, dass der andere auch ein Mensch ist. Es braucht wieder mehr Gefühl füreinander. So gesehen ist es revolutionär, was wir machen. Wir wollen in der Zeit nicht zurückgehen und können es auch nicht. Wir müssen uns also überlegen, in die Blasen, in denen wir uns heute befinden, eine gegenseitige Wahrnehmung reinzubringen. Das heißt, wir sollten nicht übereinander, sondern miteinander reden! Und das ohne diesen moralischen Zeigefinger, wie jemand zu sein hat. Es soll mit Schmäh und spielerisch sein und nicht pädagogisch wertvoll. Vollkornkost für Gesellschaftstheorie interessiert kein Schwein! Mit dem, was wir tun, verdienen wir kein Geld, weil es ein Gemeingut ist. Wir verdienen aktuell kein Geld damit, weil es keinen monetären Wert hat, obwohl es wertvoll ist. Es geht darum, dass wieder mehr gemacht wird, was keinen Preis hat, aber für den gesellschaftlichen Zusammenhalt extrem wichtig ist. Es braucht keine Social-Business-Geschichten, die ohnehin nur marktorientiert sind. Dort wird jeder Scheiss gepitcht und in einen Business Case gepresst. Davon bekomme ich, ehrlich gesagt, Eiterbeulen. 

Bianca: Und genau das ist das Revolutionäre. Wir schreiben uns auf die Flaggen, die Leute wieder auf neutralem Boden zusammenbringen zu wollen. Solche Ansätze gab es zwar schon mal, wurden aber wieder vergessen. Momentan herrscht vor allem ein Gegeneinander.
Talk im Café Mocca mit Bianca Blasl und Wilhelm Geiger

Heißt das, durch »Bauer to the People« kommen die Leute wieder zusammen und lassen ihren jeweils eigenen Stallgeruch hinter sich?

Willy: Genau. Uns gehört auch die Domain »People to the Bauer«, was zeigt, dass wir die Bauern nicht nur romantisch den Konsumenten näherbringen wollen, sondern auch umgekehrt. Und auch den Produzenten und den Bäcker und so weiter.

Bianca: Es geht um die gesamte Lebensmittelwertschöpfungskette. Jeden, der dazugehört. Das sind auch der Wirt, der Fleischer und der Tierschutzaktivist. 

Willy: Wir haben ein Format mit dem Namen »Erinnerungen aus der Zukunft«. Wir reden mit Menschen jenseits der 70, die uns von früher erzählen. Die erzählen uns dann, dass sie als Kinder im Winter von Kuhflade zu Kuhflade gesprungen sind, weil sie warm waren. Geschlachtet wurde im Winter, weil sie damals keinen Kühlschrank hatten.

Bianca: Wenn man sich Entwicklungen ansieht, versteht man erst, warum es beispielsweise Vollspaltenböden gibt. Als die Betriebe größer, aber die Arbeitskräfte in dem Bereich weniger wurden, gab es keine andere Möglichkeiten mehr, gut zu wirtschaften. Fürs Tierwohl ist es sicherlich nicht das Beste, aber der Tierschutzaktivist versteht damit die Entwicklung und die Entscheidungen der Bauern besser. 

In einem Buchkapitel habt ihr einen interessanten Kreislauf skizziert, den »The Circle of Scheiß«. Die Erde gibt den Pflanzen Nährstoffe, die den Tieren und uns weitergegeben werden, und dann spülen wir sie in Kombination mit Waschmittel, Desinfektionsmittel und Medikamenten unbrauchbar die Toilette hinunter, anstatt den Kot, wie früher, als Dünger zu verwenden. Man wundert sich, dass der Kreislauf weitergeht, obwohl er ständig weiter unterbrochen wird.

Bianca: Weil wir andere Ressourcen aus mineralischen und synthetischen Quellen nutzen, um unseren Böden Nährstoffe zuzuführen. 

Diese Ressourcen und Quellen sind auch endlich und werden irgendwann erschöpft sein.

Bianca: Ja, natürlich sind sie das.

Willy: Es wird weniger, wir haben es bisher nur nicht mitbekommen. So kann man die Zeitachse beschreiben. Wir sind sehr kurz davor, dass wir es bald mal spüren. 
Agrarökonomin Bianca Blasl & Sozioökonom Wilhelm Geiger im Gespräch

Wenn man zusammen an einem 368 Seiten langen Buch arbeitet, mit zig Illustrationen und Statistiken, wie oft kriegt man sich währenddessen in die Haare? Oder anders gefragt: Wann wurde Bianca die Mürrische und wie oft explodierte Willy?

Willy: Boah ... gute Frage ... ich bin eher gegen Ende explodiert, beim Lektorat. Wenn man das Lektorat vom Lektorat lektoriert und immer noch ein Fehler drinnen ist, ist der Bogen irgendwann überspannt und mir haut’s die Sicherung raus. 

Bianca: Wenn es überlastend und stressig wird, bin ich eher das klassische Häferl. Ich hasse diesen Charakterzug an mir. Willy übrigens auch. Ich explodiere also eher zwischendurch mal. Wenn es dann aber hart auf hart kommt und die Welt am Untergehen ist, werde ich wieder komplett ruhig und sachlich.

Was macht ihr seit der Recherche oder Veröffentlichung eures Buchs in eurem Tagesablauf bzw. eurem Konsumverhalten anders?

Bianca: Nichts.

Willy: Von den Bucherlösen kaufen wir uns Immobilien. (lacht) Nein, ganz im Ernst, wir machen nichts anders.

Bianca: Unsere eigentliche Reise hat schon viel früher begonnen. Ich beschäftige mich seit über zwölf Jahren mit diesen Themen. Im täglichen Leben ist es leider so, dass man nicht regelmäßig direkt vom Bauern kaufen kann, auch wenn es mir lieber wäre und ich es total gerne mache.

Willy: Ich bin allergisch darauf, wenn gesagt wird, dass der Konsument etwas mit seinem Verhalten ändern kann. Es ist einfach nur dumm zu glauben, die Entscheidungen der Konsumenten bewirken etwas. Denken wir mal darüber nach, was das bedeutet. Du müsstest dir dann für jedes Produkt die Nährwerttabelle ansehen. Dafür müsste man aber erstmal lernen, was da überhaupt steht! Es gibt zig Bücher dazu, wirklich verstehen tun es aber nur sehr wenige Menschen. Ich gehöre sicher nicht dazu. Und dann muss man sich ansehen, von welchem Unternehmen man die Verpackung in der Hand hält. Wie gehen die mit ihren Mitarbeitern um? Wer sitzt dort im Vorstand? Mach das mal für alle Produkte und unterscheide dann noch zwischen zehn unterschiedlichen Milchsorten von fünf unterschiedlichen Unternehmen. Nach fünf Tagen wirst du noch nicht mal am Milchregal vorbei sein! Ich als Konsument will also nicht verantwortlich gemacht werden, sondern will die Sicherheit haben, dass das passt, was ich dort kaufe! Gleichzeitig dürfen wir uns natürlich nicht komplett außen vor lassen. Es geht um die Pauschalisierungen, die ich kritisiere: DER Konsument, DIE Konzerne, DER Markt. Nein, es ist alles zusammen, und jeder hat Verantwortung, auch wenn sie ungleich verteilt ist. Niemand wird es für sich alleine richten. Vor allem nicht, wenn immer die anderen Schuld sind. 

Könnt ihr euch selbst vorstellen, dauerhaft als Bäuerin und Bauer zu arbeiten?

Willy: Nein.

Bianca: Nicht mehr, auch wenn ich mit dem Ursprungsgedanken losgezogen bin. Ich habe als Wienerin Landwirtschaft studiert und wollte mir so viele Sparten wie möglich ansehen, um zu verstehen, wie es läuft. Auf der Basis wollte ich entscheiden, welchen Weg ich dann einschlage. Aktuell ist das nicht möglich. Zu einem anderen Zeitpunkt kann ich mir das vielleicht vorstellen.

Willy: Ich würde viel zu viel hirntschechern. Sieh dir mal an, wie viele Arbeitsschritte und Handgriffe notwendig sind, um als Landwirt arbeiten zu können. Geschickt musst du als Bauer auch sein – wie reparierst du deinen Traktor, wie schleifst du deine Sense und, und, und.

Ich habe heute nicht mal meine Radkette spannen können.

Willy: Eben, mit zwei linken Händen brauchst du nicht mal ansatzweise darüber nachdenken, ob du auf einem Bauernhof arbeitest. Neben den Handgriffen musst du auch talentiert sein, um den Boden lesen und die Tiere verstehen zu können. Vieles kannst du nicht einfach so erlernen. Vieles eignet man sich über Jahre hinweg an. Es ist diese Romantik der Bauernhofidylle, die man ablegen muss.

Lieblings-

Buch: Bianca: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins (Milan Kundera), Willy: Bildung – Alles, was man wissen muss (Dietrich Schwanitz)
Film: Bianca: Per Anhalter durch die Galaxis, Willy: Spaceballs
Song: Bianca: Ironic (Alanis Morissette), Paid My Dues (Anastacia), Wish You Were Here (Pink Floyd), Hotel California (Eagles), Willy: Maybe Tomorrow (Stereophonics), Eleven Wives (Avishai Cohen), generell Jamiroquai und diverse Nordic-Jazz-Songs
Schauspieler/in: Bianca: Viggo Mortensen, Tom Hardy, Willy: Tom Hardy
Motto: Bianca: Das Leben ist zu kurz zum Fadsein. Willy: Der erscheint mir als der Größte, der zu keiner Fahne schwört, und, weil er vom Teil sich löste, nun der ganzen Welt gehört. (Rainer Maria Rilke)
Autor/in: Bianca: Thomas Sautner, Willy: Christine Nöstlinger, Hermann Hesse
Serie: Bianca: Friends, Willy: Breaking Bad
Stadt: Bianca: Wien, Willy: Kopenhagen. Ich war noch nie dort und werde wahrscheinlich auch nie hinfahren, weil es damit so schön bleiben wird wie in meiner Vorstellung.
Land: Bianca: Spanien, Willy: Die skandinavischen Länder. Es verhält sich wie mit Kopenhagen. Auch Island gehört dazu.
Gericht: Bianca: Schinkenfleckerl und Kartoffeln mit Butter, Willy: thailändisch, Schnitzel, Piccata Milanese
Getränk: Bianca: Melange, weißer Spritzer, Willy: alles außer Tee

Persönliches Mitbringsel

Bianca: Der rote Blitz! Er ist das Symbolbild für meine Freiheit und mein zu Hause. Durch dieses Auto wurde meine Reise erst möglich. Ich hasse Autofahren, weil es mich stresst, aber ich liebe dieses Auto. Es ist für mich die Entdeckung der Langsamkeit. Schneller als 60 km/h geht er nicht. 

Willy: Ich muss zugeben, dass ich darauf vergessen habe. Eigentlich hätte ich ein Mikrofon mitgenommen, mit dem wir unsere Podcasts aufnehmen. Die Kamera habe ich allerdings öfter dabei, weil man ein Haus oder eine Landschaft schneller fotografieren als befragen kann.
Melange in Gummistiefel & Bauer to the People

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: Als unser Buch herausgekommen ist, haben uns Freunde Fotos und Videos aus verschiedenen Buchläden geschickt, in unterschiedlichen Situationen mit dem Buch. Das war schon echt schön! Und wir haben einen gemeinsamen Vortrag gehalten, was auch echt cool war!

Negativstes: Es ist gerade echt viel los, mit einem Termin dicht hinter dem anderen. Wenn wir beide dann unser Leben nicht mehr packen, wird es schwierig.

Berufswunsch als Kind

Bianca: Hatte ich keinen. Ich hatte bis zum Studium keine Ahnung, was ich machen will. Und nach dem Studium wusste ich nicht, was ich damit machen soll. 

Willy: Nix.

Wen wollten Sie immer schon einmal treffen?

Bianca: Meinen Ururgroßvater, also den Großvater meiner Großmutter. Er war Fleischer im zehnten Bezirk. Meine Großmutter hat ihn immer als großen Mann in Schürze mit Riesenpranken beschrieben. Er hat das Geschäft am Laufen gehalten, hatte alle im Griff und war sozusagen der Boss. In unbeobachteten Momenten dürfte er allerdings Geige gespielt und gesungen haben. Und obwohl meine Ururgroßmutter die Finanzen gemanagt hat, hat er immer wieder etwas an Menschen weitergegeben, die nicht so viel hatten.

Willy: Stéphane Hessel

Teenie-Schwarm

Bianca: Aaron Carter. Ich muss aber dazu sagen, dass ich ihn nur cool gefunden habe, weil ihn meine Cousine cool gefunden hat. Glaube ich jedenfalls.

Willy: Teri Hatcher

Café-Bestellung

Je eine Melange.

Ort des Interviews

Café Mocca
Das Café Mocca wurde von Bianca Blasl als Interviewort ausgewählt. Auf der Website wird das Mocca als gemütlichstes Café im Herzen Gersthofs beschrieben. Und gemütlich ist es wahrlich, denn wenn ein Lokal von 8 Uhr früh bis 1 Uhr nachts (oder länger) 365 Tage im Jahr offen hat, inkl. regelmäßiger Veranstaltungen, wie z. B. Live-Konzerten, dann wurde die Gemütlichkeit quasi gepachtet. Erreichbar ist das Mocca übrigens sehr leicht mit der S-Bahnlinie 45, da es sich in der von Otto Wagner gestalteten Bahnstation befindet. Von der Bahn bekommt man allerdings weder im Café selbst noch im 400 Quadratmeter großen Gastgarten etwas mit.