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Schauspielerin Ursula Strauss im Gespräch
 
       
       
Ursula Strauss

Schauspielerin

Kultur
19.03.2024
»Altes Geld«, »Biester« und »Schnell ermittelt« sind nur einige der zahlreichen Produktionen, in denen Ursula Strauss mitgewirkt hat. Ursprünglich zur Kindergärtnerin ausgebildet, wechselt Strauss ins Schauspielfach und bekommt Engagements an unterschiedlichen Schauspielhäusern, wie beispielsweise am Theater in der Josefstadt oder im Volkstheater. 2001 folgte ihre erste Filmrolle, die den Anfang einer vielfältigen Schauspielkarriere darstellte und hin zu zahlreichen Auszeichnungen führte, wie bspw. mehrfach der Romy als beste Schauspielerin. Im Interview mit Talkaccino spricht Strauss über alltägliche Herausforderungen, gelutschte Drops, die Verdichtung einer sich schneller drehenden Welt und Wünsche zu ihrem 50. Geburtstag.

Du hast mich vorhin mit »Life’s a Bitch« begrüßt.

(lacht) Na ja ... begrüßt ... also ganz so direkt war es nicht, zuvor hab ich schon einmal »Hallo!« gesagt.

Stimmt, gleich gefolgt von »Life’s a Bitch«.

Life is a Bitch ... wenn ich es mir so recht überlege, eigentlich ein unmöglicher Ausdruck aus meinem Mund. Man gewöhnt es sich an, so lapidar zu reden. Aber eigentlich ist es ein frauenverachtender Ausdruck, weswegen ich den sofort aus meinem Wortschatz streichen muss.

Gibt es nicht auch männliche Bitches?

Gibt es die?

Glaube schon.

Ist das dann die Berufsbezeichnung oder im Englischen eine eher allgemeine Aussage? Okay, lass es mich ändern auf: Das Leben ist kein ...

... Ponyhof?

Nein, das ist mir zu kindisch. Das Leben ist eine große Herausforderung. Alles im Leben an Herausforderungen unter einen Hut zu bringen ist echt nicht ohne. Je älter ich werde, desto sicherer werde ich als Frau und als Mensch. Dieses Jahr werde ich 50 und empfinde es als große Freude, und es erfüllt mich mit Zufriedenheit, dass ich bisher eigentlich alles so gut hinbekommen habe. Ich fühle mich fit und gut, dennoch passieren in der Lebensphase zwischen 40 und 50 viele extreme Dinge! Die Eltern werden älter, die Familienkonstellation verändert sich, man ist mit Krankheiten, Tod und Verlust konfrontiert. Das alles ist nicht wirklich einfach. Auch gesellschaftspolitisch hat sich die Welt in den letzten zehn Jahren extrem verdichtet, dass ich mir mittlerweile schwer tue, Nachrichten zu lesen. Sowohl die Alltagsherausforderungen als auch das große Ganze, in dem wir uns befinden, empfinde ich als zu viel, weil ich oft das Gefühl habe, nichts mehr richtig machen zu können. Und dann denke ich mir: Was für ein Quatsch! Ich bin für mein kleines Umfeld verantwortlich und kann dort anfangen. Dort kann ich zeigen, wie ich als Mensch funktioniere und welche Werte ich vertrete, die mich ausmachen. Das heißt natürlich nicht, dass es deswegen einfach ist, aber ich darf dadurch immer wieder mal den Blick in den Spiegel wagen – vor allem in den Seelenspiegel.

Soll ich die Folgefrage nun zum Weltgeschehen oder zum alltäglichen Leben stellen?

Zum Weltgeschehen, weil das alltägliche Leben geht niemanden etwas an.

Das stimmt, gleichzeitig hast du den Vorhang auf der Bühne vorhin leicht gelichtet mit einem minimalen Blick aufs Private, wodurch die Leserinnen und Leser nun interpretieren können – und das, obwohl du dein Privatleben generell stark abschirmst.

Absolut, ja. Es muss schließlich auch in meinem Leben private Dinge geben, die auch privat bleiben.

Viele Menschen, die in deinem Job tätig sind, gehen ganz bewusst damit an die Öffentlichkeit und präsentieren die gesamte Familie in den Gazetten und Klatschspalten.

Das ist jedem unbenommen und kann jeder so halten, wie er möchte. Für mich allerdings ist mein Privatleben ein Schutzbereich, der mein Rückzugsort ist. Ein ganz normales Leben öffentlich darzustellen ist wahnsinnig uninteressant. Wir sind ein riesiger Clan. Meine gesamte Familie hat nichts mit dem Rampenlicht zu tun und das habe ich auch zu akzeptieren. Es wäre eine Respektlosigkeit, sie auszunutzen und vor einen Vorhang zu zerren, vor dem sie gar nicht sein möchten. Bisher hat sich das als richtig herausgestellt.

War es schwer, dein Privatleben vor den Boulevardmedien abzuschotten?

Schwer nicht, aber es benötigt Konsequenz. Es gibt Kollegen, die früher den Vorhang gerne mal aufgerissen haben. Ich hingegen hab dieses Spiel relativ schnell durchschaut und habe ihn nicht aufreißen lassen, sondern habe höflich darum gebeten, meinen Schutzbereich zu respektieren. Dadurch werde ich zu gewissen Formaten nicht eingeladen, aber darauf kann ich auch sehr gut verzichten.
»Durch das Internet und Social Media tragen wir die ganze Welt auf unseren Schultern«

Wenn wir jetzt zum Weltgeschehen zurückkommen: Du meintest, dass dich das Weltgeschehen stresst und du manche Nachrichten am liebsten gar nicht mehr konsumierst. Gleichzeitig weißt du durch deinen Beruf, wie sehr das mediale Bild oftmals verzerrt sein kann.

Die Verzerrung ändert nichts daran, dass in der Ukraine immer noch Krieg ist, Menschen gefoltert sowie getötet werden und Hunger leiden. Oder dass Frauen missbraucht, vergewaltigt und getötet werden. Die Darstellung in den Nachrichten ist die Folge dieser Dinge. Das Schlimme ist, dass so etwas überhaupt passieren darf auf dieser Welt! Abgesehen davon glaube ich daran, dass es in Österreich immer noch unabhängige Medien gibt, die sich ihrem Berufsstatus und -ethos verschrieben haben. Ich versuche also schon, mich am Laufenden zu halten, habe aber tatsächlich nicht so viel Zeit, regelmäßig zwanzig verschiedene Zeitungen zu lesen. Es ist einfach zu viel! Es ist Krieg, bei uns und in Amerika stehen Wahlen an. Wenn Donald Trump wieder gewinnen sollte, wird das einen Rieseneinfluss auf das restliche Weltgeschehen haben. Durch den Krieg zwischen der Ukraine und Russland sind wir einer ständigen Bedrohung ausgesetzt. Die Klimakrise hängt über uns, und ich habe nicht gerade das Gefühl, dass viel dagegen gemacht wird. Erst kürzlich gab es wieder mehrere Femizide. Ich weiß nicht ... wahnsinnig rosig ist das alles nicht, was in unserer Zeit passiert. Natürlich kann ich nun sagen, dass es immer schwierige Zeiten gab, aber um auf die Medien zurückzukommen: Durch das Internet und Social Media tragen wir die ganze Welt auf unseren Schultern, und zwar in verschiedensten Ausprägungen, Qualitäts- und Unabhängigkeitsstufen! Wir bekommen das alles ständig um die Ohren geschmissen und reagieren ständig bewusst sowie unterbewusst in einer emotionalen Geschwindigkeit, was für das System Mensch einfach zu viel ist. Für meines auf jeden Fall, denn mein Hirn und mein Herz wollen da nicht mehr mitkommen.

An Filmsets ist das Tempo oftmals auch sehr hoch.

Ja, stimmt.

Bei Drehs von Quentin Tarantino fragt er angeblich, wenn er schon mehrere Takes aufgenommen hat und die Szene noch einmal drehen möchte, folgenden Satz: »Why are we doing this?«, und die gesamte Filmcrew antwortet: »Because we love making movies!« Liebst du es, Filme zu drehen?

Wenn ich es nicht lieben würde, würde ich diesen Beruf nicht ausüben, denn dazu ist er einfach zu anstrengend. Aber auch hier habe ich den Eindruck, dass das Tempo über die Jahre angezogen hat und für immer weniger Geld in kürzerer Zeit bessere Qualität geliefert werden soll. Dennoch liebe ich meinen Beruf – egal, ob es vor der Filmkamera, auf der Theaterbühne, mit dem Ernstl bei einem Konzert oder im Zuge einer Lesung ist. Ich fühle mich in meinem Beruf zu Hause, weswegen er eines der größten Geschenke in meinem Leben darstellt. Ich kann Urlaub von mir nehmen und in andere Figuren schlüpfen, was herrlich ist.

Macht es die Mischung – Theater, Film, Fernsehen – für dich aus?

Absolut, weil mir sehr schnell langweilig wird. Alles braucht einen Ausgleich. Ich mag die Abwechslung sehr gerne.

Auch das direkte Feedback auf der Theaterbühne durch das Publikum?

Das ist magisch! Du spürst sofort die Atmosphäre. Wenn die Leute noch nicht wirklich offen sind, ist es deine Aufgabe, sie zu knacken, was ich liebe! Im Grunde ist es wie eine Beziehung, mit dem Unterschied, dass du zu keinem einzelnen Menschen sprichst, sondern zu einer Gemeinschaft, mit der du dich verbindest. Es ist wie eine Unterhaltung, bei der du Feedback erhältst.
»Mein Marktwert ist das Letzte, was mich interessiert«

Film und Fernsehen sind wahrscheinlich wiederum gut, um den Marktwert zu steigern, weil du ein viel größeres Publikum erreichst.

Ich denke nicht an meinen Marktwert! Habe ich nie gemacht. Das ist wirklich das Letzte, was mich interessiert. Mich interessieren Geschichten und die Figuren darin zu entwickeln und zu erzählen. Ob das dann funktioniert oder nicht, ist eine andere Sache. Ich habe das Gefühl, dass mich meine Naivität davor schützt, mich über einen Marktwert zu definieren oder sogar definieren zu müssen. Ich habe das nie getan und dennoch hat es funktioniert. 

Du bezeichnest dich als naiv?

Im Umgang mit solchen Dingen schon, ja. Wenn wir Spaß haben, die Geschichten gut sind und wir ernsthaft daran arbeiten, dann wird das Publikum das merken. Meistens trifft das zu. Weißt du, unsere Branche ist brutal, ähnlich wie die sozialen Medien. Wenn man es persönlich nimmt, dass man eine schlechte Einschaltquote oder zu wenig Follower hat, kann man nur verlieren. Man versklavt sich, wenn man sich darauf einlässt. Selbst wenn du viele Follower hast, kommt die Endlichkeit ins Spiel, und auf einmal haben die aufgrund der Oberflächlichkeit irgendwann keinen Wert mehr. Mit einem selbst hat das alles ja nichts zu tun. Es führt einen nur auf die falsche Fährte. Wenn ich keine Jobs mehr bekomme oder mich dafür versklaven müsste, würde ich es gut sein lassen. Ich würde mich dafür genieren, wenn ich Klinken putzen und jemandem zu Kreuze kriechen müsste. Das habe ich nie gemacht und werde ich auch nie machen! So bin ich nicht erzogen worden. Da würde ich mir ja etwas erschleichen und es mir nicht erarbeiten. Ich will meinen Weg durch Ehrlichkeit gehen, indem ich einer Figur, die ich spiele, alles gebe, was ich habe. Daher brauch ich mein Privatleben auch nicht hergeben, weil ich durch meine Figuren ohnehin alles von mir gebe. Alles andere wäre nicht gesund. Das Spiel mit Zahlen und Quoten ist für die Art, wie ich arbeite, eher hinderlich und nicht mein Antrieb. Meine Antriebe sind der Inhalt, die Figuren, die Geschichten, Liebe und Angstfreiheit.

Warst du in deiner Vergangenheit nie auf der falschen Fährte? Hast du nie probiert, jemandem zu gefallen?

Das passiert jedem Menschen. Wenn das bei mir nicht so gewesen wäre, wäre ich ja Buddha. Jeder Mensch vergleicht sich oder tappt auch mal in die Neidfalle. Gerade in solch einem Beruf, der oftmals oberflächliche Plattformen bedient. Beim Spielen selbst geht es in Wirklichkeit aber ums Eingemachte. Medial werden dann halt Galas, schöne Kleider und Schmuck gezeigt. Damit habe ich einmal im Jahr zu tun, ansonsten ist es harte Arbeit mit langen Nachtdrehs, Figurenentwicklung und Kommunikation mit dem gesamten Team. Da gibt es genug schwierige Situationen, die man gemeinsam zu meistern hat. Alles ist Rhythmus, den man, wie bei einem Musikstück, anhören muss. Wenn der Rhythmus nicht passt, wird den Inhalt keiner glauben, der sich das zu Hause am Fernsehkastl, im Kino oder am Theater anschaut. Also, Fehler machen wir alle, aber schlimm ist es nur, wenn man es nicht akzeptiert, dass es so ist. Und wenn man nicht gewillt ist, es zuzugeben und an den Fehlern zu wachsen.

Sandra Cervik meinte im Talkaccino-Interview, dass es für Schauspieler intimere Momente als einen Kuss gibt. Siehst du das auch so?

Absolut. Ein Kuss auf einer Bühne oder vor einer Kamera ist oft etwas sehr Technisches. Du bist mit zig Leuten in einem Raum und musst dich dann so küssen, dass die Lippen gut von der Kamera eingefangen werden können. Intimer sind Spielmomente, die einer gewissen Magie unterliegen. Das zu beschreiben ist wahnsinnig schwierig. Wenn ich das nun erklären würde ...

... würdest du den Zaubertrick verraten.

Nein, ich würde das Interesse daran verlieren, weil ich es dann selbst verstehen würde. Gewisse Dinge kann ich nicht erklären und will ich auch nicht verstehen. Manche Szenen spiele ich und weiß, dass es ein großer Moment in Perfektion war, weil er zu fliegen begonnen hat, obwohl ich nicht mal weiß, warum. In meinem Beruf ist man nie wirklich alleine. Selbst wenn du eine Szene alleine spielst, sind der Kameramann und Teile vom Team mit dabei. Nur für dich bist du nie. Wenn dann aber ein intimer Moment entsteht, dann passiert wahrscheinlich das, was Sandra gemeint hat.

Sie hat unter anderem erwähnt, dass es intim ist, wenn man scheitert und dieses Scheitern miteinander teilt.

Ist es ein Scheitern, wenn man sich verspricht?

Wenn man als Schauspielerin oder Schauspieler in einer Szene ansteht und nicht weiterkommt.

Ach so ... okay, ja ... das würde ich jetzt aber nicht als intim empfinden, sondern als inhaltliche Arbeit. Irgendwann kommt man dann ja weiter. Zu scheitern ist für mich ein ständiger Prozess. Wirklich scheitern tut man nur, wenn man aufgibt. In einer Szene am Set kann das allerdings nicht passieren, weil man ja irgendeine Lösung gemeinsam finden muss. Das ist ja zutiefst menschlich. Vielleicht geht es dann eher um den Lernprozess, an dem andere teilhaben, wodurch sie mitbekommen, dass man sich gerade nicht in der Perfektion befindet. Wobei Perfektion für mich ohnehin das Langweiligste überhaupt ist.

Weil man daran zerbricht.

Und weil ich mich frage, wie es dann weitergeht. In der Perfektion ist der Lernprozess vorbei und gerade der ist ja das Spannende.
»Perfektion ist für mich das Langweiligste«

Man liest und hört immer wieder davon, dass Schauspieler bestimmte Rollen abgelehnt haben, was sie danach allerdings bereut haben sollen. Will Smith hat die Rolle des Neo in »Matrix« nicht angenommen, Al Pacino wollte nicht in »Star Wars« mitspielen. Gab es solche Entscheidungen in deiner Vergangenheit?

Der Drops ist gelutscht. Mit sowas halte ich mich gar nicht auf, denn wozu? Ist ja vergeudete Lebensenergie.

Nehmen wir an, du hättest deine Rolle in »Schnell ermittelt« nicht angenommen. Die Serie wurde zum Riesenerfolg.

Wer weiß, ob »Matrix« mit Will Smith nicht vielleicht sogar ein Rohrkrepierer gewesen wäre. Es ist, wie es ist. Was liegt, das pickt. Also solche Fragen ... das sind jetzt wirklich müßige Gedankenspielereien. Was wäre gewesen, wenn es dann doch anders gekommen wäre, hätte ich dann vielleicht ...

Verzeih mir meine dumme Frage.

(lacht) Nein, bitte, um Gottes willen! Ich versuche in mir zu graben, aber was weiß ich dazu? Außerdem gibt es keine dummen Fragen!

Wenn ich dich fragen würde, ob deine Mutter ein Mann ist, wäre das schon ziemlich dumm.

Oder einfach provokant.
Interview mit Ursula Strauss

Du meintest einmal, dass Kinder oftmals wie kleine Trottel behandelt werden – auf Basis von Beobachtungen während deiner Ausbildung zur Kindergärtnerin. Was von der damaligen Zeit kannst du in deinem heutigen Beruf anwenden?

Vieles! Bei der Kindergärtnerin geht es darum, mit Menschen zu arbeiten, die klein sind und noch nicht viel Lebenserfahrung, aber dennoch ihren Charakter haben, weil sie damit geboren wurden. Mit dem ersten Atemzug, den wir machen, sind wir die Wesen, die wir sind, und werden dann geformt – durch Familie, eigene Erfahrungen und Begegnungen. Unser Kern und unsere Seele sind aber schon da. Als Kindergärtnerin betrachtet man viele dieser Seelen in einem Raum, beschäftigt und begleitet sie. Man lernt mit ihnen, überschüttet sie mit Liebe und probiert, sie mit Respekt zu behandeln, selbst wenn sie dir nicht sympathisch sind. Auch im Kindergarten gibt es schon Menschen, die einem nicht zusagen, trotzdem muss man versuchen, sie gleich zu behandeln. Es geht um einen angstfreien Raum, in dem man gut miteinander sein kann, wo jeder einen Platz hat und ernstgenommen sowie gehört wird. Am Filmset ist das nicht anders.

Weil es ein wilder Haufen ist.

Weil es eine Gruppe von Menschen ist, die auf engstem Raum mit intensiver Arbeit aufeinander losgelassen werden – inklusive diverser Alltagsprobleme, die jeder mit sich bringt. Und auch dort gilt, dass jeder den Respekt verdient hat, einen würdevollen Umgang zu erleben mit guten Arbeitsbedingungen, innerhalb derer man gehört und gesehen wird. Im besten Fall mit Humor! Es geht darum, die Arbeit so gut wie möglich machen zu können, indem man gemeinsam in einem geschützten Raum aufeinander aufpasst.

Ein respektvoller, geschützter Raum. Auf Filmsets wird nicht unbedingt immer sensibel, geschützt und respektvoll miteinander umgegangen. Oftmals steckt eine Produktion in einem engen Zeitkorsett mit viel Geld dahinter.

Das Hauptproblem ist, dass man es manchmal mit einer ziemlichen Hybris in einer Machtposition zu tun hat.

Hattest du in der Vergangenheit Probleme?

Hatte ich, aber das ist ewig lange her und hatte nichts mit Filmsets zu tun. Ich habe so etwas eher am Theater erlebt. Wild gewordene Regisseure, die herumbrüllen oder Sachen von einem verlangen, wo man sich nur fragen kann, ob der das jetzt eigentlich ernst meint. Auf Filmsets hatte ich bisher wirklich Glück und immer eine gute Arbeitsatmosphäre.

Heiligt der Zweck die Mittel?

Nein, überhaupt nicht!

Wenn ein Regisseur herumbrüllt, um das Beste aus seiner Schauspiel-Crew rauszuholen, ist er wie ein Wissenschaftler, der mit Experimenten das Beste für die Gesellschaft erforschen möchte.

Wenn ein Schauspieler explizit darum bittet, angeschrien zu werden, weil er masochistische Tendenzen hat und so am besten funktioniert, mag das sein. Aber ohne Absprache leiden ja auch alle anderen darunter. Ich kann aus Erfahrung nur sagen, dass meine Kreativität in der Sekunde verschwindet, wenn sich jemand über mich stellt, mich anschreit oder mir zu verstehen gibt, dass ich ein kleines Würschtl bin. Wenn jemand glaubt, dass man jemand brechen muss, ist das nur menschenverachtend, respektlos und teilweise sogar kriminell. Das ist aufs Schärfste zu verurteilen! Menschen, die in diesem Beruf funktionieren müssen, sind meist wahnsinnig sensibel. In der Kunst handelt es sich um fragile Wesen. Ich funktioniere in Harmonie und Respekt, weil dann meine Fantasie zu fliegen beginnt und die schönsten Farben malt. Sobald ein lautes Wort fällt, möchte ich einfach nur nach Hause gehen, mich im Mauseloch verkriechen und nicht mehr rauskommen. Wie komme ich dazu?! Es ist eh schon alles anstrengend genug. Gegenseitig fertigmachen sollte man sich wirklich nicht! Ganz im Gegenteil: Man sollte sich gegenseitig zeigen, dass man sich etwas trauen und über seine Grenzen hinweggehen darf. In einer Atmosphäre des Hasses und der Gewalt funktioniert das nicht.
»In der Kunst handelt es sich um fragile Wesen«

Die Atmosphäre einer welchen Serie, eines welchen Films oder Regisseurs würde dein Lebensgefühl am besten einfangen?

Hmmm, gute Frage und schwierige Frage. (überlegt)

Oder fängt es eine Filmepoche vielleicht besser ein? Schwarzweißfilme oder der Stummfilm?

Farbe mag ich schon sehr gerne und ich stehe schon auch sehr auf Realismus.

Womit wir Christopher Nolan ausschließen können. Wie sieht es mit Woody Allen aus? Romantisch und lustig.

Woody Allen ist gut, ja. Wobei es dann doch eher David Lynch ist. Mysteriös, und man fragt sich, ob man überhaupt verstanden hat, worum es gerade eigentlich geht. Mir gefällt es, wenn der Film mich beschäftigt.

Wenn du für einen Tag am Set einen anderen Job übernehmen könntest, welcher wäre es? Würdest du am Regiesessel Platz nehmen, hinter die Kamera wechseln, die Kostüme anfertigen oder doch lieber die Maskenbildung übernehmen?

Regie!

Warum?

Weil es geil ist!

Hast du die Regie schon mal übernommen?

Bisher noch nicht. Aber es ist faszinierend. Es gibt das Sprichwort, dass der Fisch immer am Kopf zu stinken beginnt. Wenn die Regie das Team respektvoll, leiwand, klar und wahrhaftig behandelt, merkt man, wie die Leute gerne für den Regisseur oder die Regisseurin arbeiten. Besonders für die, die auch mal die Eier haben, zuzugeben, dass sie gerade keine Lösung parat haben, und um Hilfe bitten, weil sie gerade selbst anstehen. Selbstredend darf das keine Ausrede dafür sein, dass man alles abgibt, weil man überhaupt keinen Plan hat. Aber es laufen einfach die Fäden bei der Regie zusammen. Man taucht noch viel tiefer in die Geschichte ein, weil man alles entscheiden muss. Das finde ich wahnsinnig spannend.

Christoph Waltz meinte nach seinem Regiedebüt, er dachte, man hat alles im Griff und ist von niemandem abhängig, bis er gemerkt hat, dass man von allen abhängig ist, selbst von den Schauspielern, der er in dem Fall dann nicht mehr war.

(grinst) Natürlich und das macht es ja so schön! Man muss gut Menschen lesen können. Und wenn du das auf wahrhaftige Weise machst, arbeiten alle wahnsinnig gerne für dich. Erschreckend an der Position ist die Verantwortung, die man für alle übernimmt. Dennoch glaube ich, dass es ganz toll sein kann. 

Wann wird deine erste Regiearbeit erfolgen?

Das werde ich nicht verraten.

Aber es gibt einen Plan!

Vielleicht.

Du meintest vorhin selbst, dass du dieses Jahr 50 wirst. Was wünschst du dir zum Geburtstag und was für die kommenden Lebensjahre?

Gesundheit. Die wünsche ich mir in erster Linie, weil ohne sie gar nichts geht. Und ich wünsche mir ein wenig Zeit, um mit meinem Mann gemeinsam die Welt zu entdecken und bereisen zu können. Ansonsten wünsche ich mir, dass es den Leuten, die ich liebe, gut geht und sich die Welt wieder etwas langsamer dreht und zur Vernunft kommt.

Wirst du wie Erni Mangold bis zum knapp 100. Geburtstag aktiv sein und noch die nächsten 50 Jahre Filme drehen?

Na hoffentlich, ich liebe meine Arbeit! Man weiß natürlich nie, was kommt, aber warum sollte ich aufhören? Ganz im Gegenteil, man sollte viel mehr Geschichten über Frauen in einem gewissen Alter zulassen. Die Gesellschaft ist von Frauen in diesem Alter ziemlich abhängig, wenn wir uns mal ehrlich sind. In der Arbeitswelt, in der Pflege und generell in der Gesellschaft – Frauen tragen wahnsinnig viel auf ihren Schultern und erleben genauso spannende Geschichten wie Männer! Frauen sind genauso lustig und genauso sexuelle Wesen wie Männer in dem Alter. Es wird jetzt wirklich mal an der Zeit, dass sich Alters- und Geschlechtsdiskriminierung aufhört. Die ist überholt, falsch und wahnsinnig langweilig.

Erlebst du sie? Ich empfinde dich – sowohl über die Medien als auch jetzt persönlich – als wahnsinnig starke und selbstbewusste Frau und kann mir nicht vorstellen, dass jemand auf die Idee kommt, dich wegen deines Alters oder Geschlechts abzuschasseln.

Werde ich auch nicht. Vielleicht bin ich durch meine Arbeit, die ich bisher in der richtigen Zeit abgeliefert habe, auch in einer privilegierten Position, weil ich den Zeitgeist getroffen habe, wodurch sich manche Menschen mit mir identifizieren können, was ich als große Ehre empfinde. Ich bin dankbar dafür und empfinde es nicht als selbstverständlich. Wenn ich die Welt außerhalb meines eigenen Lebens mitbekomme, merke ich aber, dass es dort wahnsinnig viel Nachholbedarf gibt. Letztens habe ich erst irgendwo gelesen, Frauen werden ab einem gewissen Alter nach ihren Falten beurteilt, weil sie körperlich verfallen, und Männer werden immer interessanter. Was für ein Paradox ist das bitte?!

Über einen Kamm scheren kann man das gewiss nicht.

Kann man nicht, nein. In Wirklichkeit ist es so: Die schönste Hülle bringt einen nicht weiter, wenn nicht irgendwann auch mal ein Inhalt dazukommt.

Man gewinnt oder verliert, sobald man den Mund aufmacht.

Ja, genau.

Lieblings-

Buch: Hundert Jahre Einsamkeit (Gabriel García Márquez)
Film: Es war einmal in Amerika
Song: Laurin (Ernst Molden)
Schauspieler/in: Es gibt so viele gute, dass ich mich nicht entscheiden kann. 
Motto: Ein Schritt nach dem anderen.
Autor/in: Eva Menasse, John Irving
Serie: Twin Peaks
Stadt: Wien
Land: Österreich, Italien und Niederösterreich 
Gericht: Alles! Außer: Innereien.
Getränk: Wasser und Wein

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Ich hatte eine irrsinnig schöne Probe mit meinem Bruder und meinem Kollegen Wolfgang Bachofner. Und ich habe es geschafft, 3,8 Kilometer zu laufen! Den schlechtesten Moment kann ich leider nicht mit dir teilen.

Berufswunsch als Kind

Verkäuferin beim Schober. Das war ein Greißler in Pöchlarn. 

Wen wolltest du immer schon mal treffen?

Falls es sie tatsächlich geben sollte: Gott und Göttin, um sie zu fragen, ob sie wo ang’rennt sind!

Teenie-Schwarm

Ein Junge aus meiner Siedlung.

Café-Bestellung

Cappuccino und Soda-Zitron

Ort des Interviews

Café Westend
Es ist bereits das zweite Mal, dass für ein Talkaccino-Interview im Café Westend Platz genommen wurde. Vor ziemlich genau einem Jahr wurde hier die Burlesque-Tänzerin Kalinka Kalaschnikow interviewt. Damals war das Kaffeehaus noch in der Hand der Familie Diglas. Bald nach dem damaligen Interview wurde es geschlossen und nunmehrig unter neuer Führung eröffnet. Der klassische Kaffeehaus-Charme ist nach wie vor vorhanden, doch irgendwie wirkt es frischer, moderner und aus seinem Dornröschen-Schlaf erwacht. Liegt vielleicht auch daran, dass sich das Westend zu späterer Stunde in eine moderne Bar verwandelt, mit dezenter und farbiger LED-Beleuchtung, Drinks und smoother Musik. Damit war es irgendwie passend für das Interview mit Ursula Strauss, weil auch wandlungsfähig, am Puls der Zeit und mit Ecken und Kanten, die in ihrer Interessantheit sowohl zur Location als auch zur Interviewpartnerin passen.