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Müllmann Michael Gremlica im Interview
 
       
       
Michael Gremlica

Müllmann der MA 48

Gesellschaft
27.09.2021
Michael Gremlica arbeitet seit elf Jahren bei der MA 48 als Müllmann. In den ersten drei Jahren war er Springer, also für mehrere Bezirke tätig, bis er einen Fixvertrag erhalten hat. Seitdem ist er für den 13. Bezirk zuständig. Michael Gremlica ist damit einer von 3.180 Mitarbeitern der MA 48, die sich um rund 1,2 Millionen Tonnen Müll kümmern, die jährlich in der Stadt Wien anfallen.

Wie würden Sie Ihren Beruf beschreiben?

Abwechslungsreich und wunderschön, sonst würde ich ihn nicht so lange ausüben. Ich bin gelernter Verkäufer und war es gewohnt, in einem Geschäft zu arbeiten. Jetzt bin ich an der frischen Luft, was ein Traum für mich ist! Für die Gesundheit gibt es nichts Besseres als frische Luft und Bewegung. Man ist viel unterwegs und unter Menschen, was den Job abwechslungsreich macht. Ich habe also jeden Tag, wenn ich munter werde, eine Freude und fahre gerne in die Arbeit.

Warum haben Sie von Ihrem ursprünglichen Beruf als Verkäufer in den jetzigen gewechselt?

Es war eine Herzensangelegenheit, weil ich als kleiner Bub schon Fan von der Müllabfuhr war. Das hat mich damals immer schon fasziniert. Immer wenn die Müllabfuhr gekommen ist, habe ich aus dem Fenster geschaut. Und jetzt bin ich selber Teil davon und freu mich, wenn sich Kinder freuen, sobald wir vorbeikommen.
»Ich war schon als kleiner Bub Fan von der Müllabfuhr«

Wenn man an den Beruf des Müllmanns denkt, gibt es meist zwei Richtungen, wie der Beruf gesehen wird. Die einen sagen, dass einfach der Müll von anderen Leuten weggeräumt wird. Die anderen sagen, dass die Gesellschaft durch diesen Beruf nicht im Müll versinkt. Zu welcher Aussage tendieren Sie?

Beide Sichtweisen sind vollkommen richtig. Einerseits ist es lediglich ein Job, der, wie jeder andere auch, einfach zu machen ist – ohne Wenn und Aber. Vom gesellschaftlichen Zuspruch, den wir tagtäglich auf der Straße mitbekommen, ist es eher die zweite Sichtweise. Und darauf bin ich auch stolz! Wir haben einen Riesenzuspruch und auch Anerkennung in der Bevölkerung. Wir bekommen das auch immer wieder gesagt. Die Leute sind dankbar, dass es uns gibt.

Der Beruf hat über die letzten Jahre sicherlich an Ansehen gewonnen, gerade in der Zeit der Pandemie.

Absolut! Es war gerade am Anfang der Pandemie fast jeder zu Hause und dadurch haben viele Leute gesehen, was tagtäglich geleistet wird. Das war davor sicherlich nicht so der Fall.

Wissen Sie, was ich und auch Freunde zu Schulzeiten gesagt bekommen haben? »Lern brav, sonst wirst einmal Müllmann«. Was denken Sie bei solchen Aussagen?

Ich denke, dass jeder seine eigene Sichtweise hat, die auch zu respektieren ist. Ich kann nur so viel dazu sagen, dass es für jeden komplett unterschiedlich ist. Mir macht diese Arbeit Spaß und daher müssen mir solche Aussagen egal sein.

Was ist das Angenehmste an Ihrer täglichen Arbeit und was nervt Sie am meisten?

Das Angenehmste ist sicherlich die frische Luft und einfach draußen sein zu können. Das ist, für mich, ein Privileg.

Auch im Winter, wenn es saukalt draußen ist?

Dann sogar noch mehr als im Sommer! Da sind wir dann schon beim negativen Punkt. Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als mehrere Stunden bei über 40 Grad am Asphalt ohne irgendeinen Schutz in der prallen Sonne zu arbeiten. Sogar mit Kopfbedeckung geht das an die körperliche Substanz.

Es gibt den Grundsatz, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Dann gibt es den Ausspruch, dass, egal wie fein sich jemand gibt, es am WC doch zu stinken beginnt. Merken Sie am Müll, den Sie tagtäglich abholen, einen Unterschied je nach Bezirk oder Grätzel?

Unterschiede kann man schon feststellen. Wenn wir uns jetzt den 13., 19. oder 23. Bezirk ansehen, haben wir dort überwiegend Einfamilienhäuser. Das heißt, man weiß natürlich, von wem der Müll ist, der vor der Haustüre steht. Und das wiederum bedeutet, dass meist stärker darauf geachtet wird, wie der Müll entsorgt wird. Bei einer Großanlage, wie Gemeindebauten, gibt es einen eigenen Müllraum, in dem auch schnell mal Küchenregale und Malerfarben irgendwie abgeladen werden.

Je anonymer die Leute sind, desto stärker führen sie sich wie Schweindln auf ... kann man das so sagen?

Stimme ich zu 100 Prozent zu.
Im Interview: Müllmann Michael Gremlica

Gibt es spezielle Anlässe – beispielsweise Silvester oder auch Großevents, wie die lange Nacht der Museen oder den Gürtel Nightwalk –, nach denen Sie nicht unbedingt gerne Dienst haben wollen?

Dazu habe ich persönlich keine Sichtweise, weil ich in meinem Bezirk nicht damit konfrontiert bin. Aber natürlich ist es so, dass zu Weihnachten oder Silvester mehr Müll aufkommt, als unterjährig. Allerdings bin ich zu Weihnachten und Silvester selbst in einer so guten Stimmung, dass mich so etwas nicht weiter belastet.

Wie ändert sich der Müll zeitlich gesehen? Gibt es Unterschiede zwischen den Jahreszeiten?

Man merkt schon, dass während der Urlaubszeit im Sommer die Mülltonnen leichter sind.

Wir sitzen hier in der Lounge vom 48er-Tandler, dem Wiener Altwarenmarkt der MA 48. Hier werden alte Sachen, die vom ursprünglichen Besitzer nicht mehr gebraucht werden, wiederverkauft und -verwertet. Wie oft kommt es vor, dass Sie Gegenstände im Müll finden, die noch komplett in Ordnung sind, und was kommt Ihnen dabei alles unter?

Das kommt häufiger vor, als man glaubt! Die Leute wollen sich’s oftmals nicht antun, überhaupt auf einen Mistplatz zu fahren, obwohl wir genug davon in Wien haben. Alte Ski finden wir zum Beispiel immer wieder. Die sind noch in gutem Zustand, aber offenbar wurde das neueste Modell gekauft.

Wie oft kommt es vor, dass Sie sich denken: »Ah, perfekt, das wollte ich eh immer schon haben. Das nehme ich mir gleich mit heim«?

(lacht) Das ist noch nie passiert. Es wäre auch gar nicht erlaubt. 

Es gibt sicherlich Fundstücke, bei denen Sie zumindest überlegen würden.

Wenn Steffen Hofmann ein Trikot aus der Champions League hat, das er nicht mehr braucht, würde ich schon fragen beim Vorgesetzten, ob ich das haben darf. (grinst)
Im Gespräch mit Müllmann Michael Gremlica

Mussten Sie schon mal die Polizei kontaktieren, weil Sie etwas gefunden haben, was so gar nicht in den Müll gehört hätte?

Wir haben einmal einen Tresor gefunden und die Polizei kontaktiert. Was drinnen war, weiß ich allerdings nicht.

Haben Sie durch Ihre Arbeit einen anderen Zugang zur Müllvermeidung bekommen, oder werfen Sie, sobald Sie im Privaten sind, auch leichtfertig mal was weg? Beziehungsweise: Wie sehr achten Sie bereits beim Einkauf auf Dinge wie Verpackungen?

Seitdem ich bei der MA 48 arbeite, achte ich wesentlich mehr darauf, als es davor schon der Fall war. Ich bin jeden Tag damit konfrontiert, daher versuche ich schon, meinen Teil dazu beizutragen, dass die Umwelt in einem guten Zustand ist. Auch im Hinblick auf unsere Kinder und Nachfolger. Die sollen auch in einer schönen Welt leben können. Ich fühle mich schon verpflichtet dazu, meinen Teil dazu beizutragen. Gerade beim Thema Kunststoff hat sich die letzten Jahre viel getan, in dem Sinne, dass mehr Menschen darauf achten. Wenn ich zum Beispiel Gusto auf ein Joghurt habe, kaufe ich mir das nicht mehr im Becher, sondern im Glas. Auch wenn es mehr kostet als in einer Kunststoffverpackung.

Die MA 48 ist breit gefächert: von der klassischen Müllabfuhr über Mistplätze, von der Problemstoffsammlung bis zum Entrümpelungsdienst. Wie sehr ist man mit den Kollegen von anderen Aufgabengebieten im Austausch? Und würden Sie lieber Aufgaben von den Kollegen übernehmen oder nur nicht?

Ich bin mit dem, was ich mache, absolut glücklich – wie am ersten Tag! Ich kann mir also nicht vorstellen, auf den Mistplatz oder zur Abschleppgruppe zu wechseln. Ich kenne meine Aufgaben und meine Vorgesetzten, womit alles aus dem Effeff funktioniert. Aber natürlich ist man mit den Kollegen im Austausch und bekommt mit, was dort so passiert.

Es kommt immer wieder vor, dass Leute in der Nacht Sperrmüll ablagern. Wie darf man sich die Arbeit in den naturbelassenen Gegenden, beispielsweise in Außenbezirken, vorstellen?

Das betrifft mich im Müllwagen nicht, sondern die Kollegen von der Straßenreinigung in ihren Pritschenwägen. Die haben ihre fixen Strecken und sammeln ein, wenn ihnen etwas auffällt oder wenn sie eine Meldung erhalten. Im Anschluss wird es fachgerecht am Mistplatz entsorgt.
Interview mit Müllmann Michael Gremlica

Kommen wir zum täglichen Weg in die Arbeit, an dem das Müllauto langsam vor einem hertuckelt.

Das ist natürlich unangenehm.

Wie oft werden Sie angepöbelt oder bekommen Sachen aus dem Autofenster geworfen, weil die Leute meinen, dass Sie es eh wegräumen? Oder sind das nur Klischees?

Die klassischen Klischees stimmen absolut, wobei es natürlich immer auf die Person ankommt. Manche steigen aus dem Auto aus, kommen zu uns und sagen zum Beispiel, dass sie einen dringenden Arzttermin haben. Wir achten natürlich darauf, auch wenn wir den Leuten die Zeit stehlen, immer so rasch wie möglich eine Lücke zu finden, um kurz zur Seite zu fahren, damit die Kolonne hinter uns vorbeifahren kann. Das ist sogar eine Vorgabe unserer Dienststelle. Unsere Strecke wurde so geplant, dass Behinderungen vermieden werden. Bei schmalen Einbahnstraßen lassen wir den Lenker, nach einer gewissen Anzahl von entleerten Tonnen, eine Extrarunde fahren, damit die Straße nicht zu lange blockiert ist. Trotzdem gibt es natürlich auch Leute, die, obwohl sie noch nicht mal bei uns stehen, bereits aus der Ferne anfangen zu hupen. Das ist noch das Freundlichste, manchmal hört man auch Schimpfwörter.

Zu Handgreiflichkeiten ist es aber noch nicht gekommen?

Zum Glück noch nicht! So weit kommt es hoffentlich auch nicht.

Was sind Ihre ganz konkreten Tipps für jeden Einzelnen und jede Einzelne, bezogen auf Müllvermeidung? Wie kann jeder von uns Ihren Job erleichtern?

Das Einfachste ist Müll trennen. Selbst wenn man bei sich zu Hause keine Container hat, gibt es genügend öffentliche Container. Da sind wir in Wien wirklich gut vernetzt. Alleine wenn man Papier nicht in den Restmüll wirft, sondern in den Papiercontainer, hilft das enorm, weil das recycelt werden kann. Bevor Bäume gefällt werden müssen, um neues Papier herzustellen, ist die Wiederverwertung deutlich besser. So etwas ist also ganz einfach, was in Wirklichkeit jeder umsetzen kann.

Lieblings-

Buch: Harry Potter
Film: Leg dich nicht mit Zohan an
Song: alle Arten von Schlager. Je älter, desto besser. 
Schauspieler/in: Gerard Butler, Jason Statham, Daniel Craig
Motto: Lebe deinen Tag so, als wäre es dein letzter. 
Autor/in: Joanne K. Rowling
Serie: Haus des Geldes
Stadt: Wien
Land: Österreich
Gericht: Schnitzel
Getränk: Cola

Persönliches Mitbringsel

Mein Autoschlüssel. Neben dem Fußball und Sport generell ist meine ganz persönliche Leidenschaft der Motorsport – sowohl Motorräder als auch Autos. Da ich mittlerweile in Niederösterreich wohne und Pendler bin, fahre ich jeden Tag 100 Kilometer mit dem Auto – alleine für den Arbeitsweg! Zusätzlich fahre ich mit meinem Sohn viermal die Woche zum Training. Daher habe ich mir einen Jaguar mit Elektroantrieb gegönnt. 
Autoschlüssel der Marke Jaguar

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: Mein Sohn hatte am Wochenende ein Fußballmatch. Immer wenn er ein Tor schießt oder eine Vorlage liefert, was meiner Meinung nach noch wichtiger ist, ist es für mich das Schönste. 
Negativstes: Bei mir im Haus hat es in die Garage geregnet.

Berufswunsch als Kind

Fußballer

Wen wollten Sie immer schon einmal treffen?

Christiano Ronaldo, unumstritten! Es ist unmenschlich, über die Jahre auf diesem Niveau einer der Besten der Welt zu sein. Disziplin, Fleiß, Training ... das alles verdient meine höchste Anerkennung.

Teenie-Schwarm

Christina Aguilera

Café-Bestellung

Cappuccino

Ort des Interviews

48er-Tandler-Lounge
Geführt wurde das Interview in der 48er-Tandler-Lounge, dem Veranstaltungsbereich des 48er- Tandlers. Wie bereits im Gespräch mit Michael Gremlica erwähnt, handelt es sich beim 48er-Tandler um einen Wiener Altwarenmarkt, bei dem Secondhand-Waren zum Verkauf angeboten werden. So finden jährlich 130.000 Gegenstände, die ursprünglich weggeworfen wurden, ihren Weg zurück in die Haushalte der Wienerinnen und Wiener. Zusätzlicher Nebeneffekt zur Wiederverwertung: Mit den Erlösen werden soziale Projekte gefördert.