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Fred Koblinger im Interview
 
       
       
Fred Koblinger

Werber und Direktmarketing-Pionier

Gesellschaft
29.06.2020
Fred Koblinger war Gründer und Geschäftsführer einer der größten heimischen Werbeagenturen, PKP BBDO. Weiters war er am Aufbau des weltweiten Proximity-Agentur-Netzwerks, mit Standorten in 50 Ländern, beteiligt, sowie an der Gründung des Dialogmarketing Verband Austria. Während seiner über 30-jährigen Karriere hat er, laut eigenen Angaben, über 300 nationale und internationale Awards gewonnen, darunter vier der begehrten Cannes-Löwen. Sein Schaffen hat die Werbebranche in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich beeinflusst und geprägt, nicht zuletzt durch Slogans, Radio- und TV-Spots, Zeitungsinserate, Plakate, Banner-Kampagnen und Verpackungsdesigns für namhafte Unternehmen und Marken wie beispielsweise Toyota, win2day, STRABAG, ÖBB, Austrian Airlines, Pedigree, McDonald’s, Iglo, Dr. Oetker, Manner, easybank, OMV, A1, die Österreichische Post oder auch den Flughafen Wien.

Der amerikanische Kommunikationswissenschaftler Joseph T. Klapper hat einmal gesagt: »Manchmal haben manche Medien bei manchen Menschen manche Wirkung.« Das setzt die gesamte Medienwirkungsforschung, und die über die Medien transportierte Werbung, ad absurdum. Nimmt sich eine gesamte Branche damit vielleicht zu ernst oder zu wichtig?

Die nimmt sich tatsächlich zu wichtig, aber das Zitat kann ich trotzdem nicht unterstreichen. Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun. Dass sich die Branche zu wichtig nimmt, ist aber auch ein ganz besonderes österreichisches Phänomen. Jeder glaubt, er ist besser als der andere. Und in Wahrheit blickt kaum einer über den Tellerrand hinaus und fragt sich: »Ist das, was wir tun, auch wirklich gut?« Gut im Sinne von: richtig. Spreche ich die richtigen Motive bei den Zielgruppen an, oder setze ich nur meine tolle Kreativität um, weil’s so geil ist, was ich mache? Was es für den Kunden und Endverbraucher tut, interessiert die wenigsten.

Zum Zitat: Das finde ich einfach nur deppert. Weil es alles relativiert. Ich kann auch sagen: »Vielleicht ist es morgen schön, vielleicht ist es morgen aber auch schirch.« Wenn ich alles relativiere, ist alles richtig oder alles falsch. Darum halte ich nichts davon. Ich glaube, dass JEDES Medium eine Berechtigung hat. Auch wenn manche totgeschrieben werden. Unsere Aufgabe ist es, jedes Medium zum Vorteil und Nutzen der jeweiligen Zielgruppe entsprechend zu bedienen. Wenn du das schaffst, kann alles ein tolles Medium sein. Da würde ich dann gar nichts ausschließen. Digitale Medien sowieso, aber auch ein Auto ist ein Medium, jede Brille ist ein Medium, auch wenn das jetzt blöd klingt. Ich brauche es ja nur entsprechend einzupacken. Wenn wir von den traditionellen Medien sprechen, gibt es nach wie vor wichtige Aufgaben. Für Print spricht die Informationstiefe. Und genauso wichtige und vielfältige Aufgaben gibt es fürs Fernsehen. TV brauchen wir nach wie vor für einen breiten Markenaufbau und Emotionen.
»In Österreich Weltmeister zu sein, war mir zu wenig«

In einem anderen Interview hast du einmal gesagt: »Weltmeister in Österreich zu sein ist nichts wert.« Ist es um österreichische Werbung so schlecht bestellt?

Ja. Österreich ist ein kleines Land mit wenig Ressourcen. Für dieses winzige Land haben wir mit 15.000 Werbeagenturen einen Overkill. Wir haben auch die meisten Plakate pro Kopf in der Bevölkerung – im Vergleich zu anderen Märkten. Ich glaube, es gibt nirgendwo mehr Werbeagenturen, pro Einwohner, als in Österreich. Das ist ja schon mal absurd. Und warum ist das so? Weil jeder glaubt, Werbung ist einfach, muss nur originell sein.

Es gibt ein Buch von Dirk Stermann mit dem Titel »Sechs Österreicher unter den ersten fünf«. Das hat in etwa denselben Hintergrund. Wir sind sowas von stolz, wenn wir in Österreich eine »Headline« produzieren. Im internationalen Vergleich, zum Beispiel in Cannes, laufen wir unter »ferner liefen«.

Für mich war Österreich von Anfang an immer zu klein. Ich bin nach dem Studium gleich nach Frankreich gegangen, um meinen Horizont zu erweitern. Nicht nur. Auch um die Damenwelt ein wenig näher kennenzulernen. (grinst) Das hat mir dann auch meine Frau beschert.

Ich will nicht goschert sein und irgendjemanden beleidigen. Aber mir war es halt zu wenig, in Österreich Weltmeister zu sein – ob ich’s nun war oder nicht. Du siehst es ja auch in anderen Bereichen, wie im Sport zum Beispiel. Wir haben immer wieder Einzelkämpfer, wie jetzt den Dominic Thiem. Aber vom Esprit haben wir’s nicht wirklich drauf. Wir sind keine Anwärter für Spitzenplätze. Es hat immer jemand für uns gedacht. Wir sind total devot und obrigkeitsgläubig. Das war so beim Kaiser, fand über Hitler und Kreisky seine Fortsetzung bis zu Kurz. Und dann der ständige Ausgleich – auch zwischen den Sozialpartnern –, der bringt dem Land zwar den sozialen Frieden, aber auch gesellschaftliche Stagnation. Aber gerade aus Konflikten kommen immer wieder auch Spitzenleistungen. Wir sind einfach zu brav. Außergewöhnlichkeit ist fast verdächtig.

Wir haben ja auch keine Spitzen-Universitäten. Die beste rangiert irgendwo über Rang 100. In Paris alleine gibt es vier tolle Wirtschaftsuniversitäten! Die halbe französische Regierung kommt dort raus – unabhängig davon, ob das jetzt gut oder nicht gut ist. Österreich ist kein Forschungsstandort. Und Österreich ist auch kein Werbestandort. Wir haben international einfach keine Bedeutung. Was noch dazu kommt, sind unsere Denk- und Sichtweisen. In Österreich wird Werbung als »Kosten«, nicht als »Investition« gesehen. Alleine dieser Gedankenunterschied bringt uns einen Nachteil. Du kannst eine tolle Story haben, wenn du aber überall sparst, hast du schlechtes Licht, einen schlechten Kameramann, einen schlechten Regisseur, und das siehst du dann halt auch.

Wie hat sich Werbung und Kommunikation mit der Zeit verändert? Gemeint ist nicht der technische Aspekt, wie beispielsweise HD-TV, digitales Radio oder das Aufkommen des Internets, sondern der inhaltliche Anspruch.

Wenn du die Geschichte der Werbung hernimmst, kannst du es mit ein paar Schlagworten schön zusammenfassen. Von der »Propaganda« im Zweiten Weltkrieg, zur »Reklame« im Wirtschaftswunder, zur »Werbung« im zunehmenden Wettbewerb hin zur letzten Stufe »Kommunikation« in unserer Überflussgesellschaft mit Marktanteilskämpfen. In der »Kommunikation« sind plötzlich Motive und Werte wichtig. Wenn ich dich andauernd belästige, was Werbung ja macht, wird es längerfristig nicht funktionieren. Das kannst du in der Kommunikation nicht machen. Du musst dich auf deine Zielgruppe einstellen, ihre Werte-Welt verstehen und mit der eigenen Werte-Welt matchen.

In der »Reklame« wird das »WAS« beschrieben. Zum Beispiel: Starbucks macht Kaffee. Das differenziert aber nicht. Also geht es um das »WIE«. Starbucks macht Kaffee, aber wie? Anders, als es die Amerikaner davor gewohnt waren. Der Kaffee hat plötzlich nach etwas geschmeckt. Das war aber immer noch zu wenig. Also »WARUM« macht Starbucks das? Um den Leuten ein zweites Wohnzimmer zu geben. Wo sie sich wohlfühlen. Wo sie außergewöhnliche Services bekommen, wie beispielsweise WLAN.

Verkürzt gesagt hat sich GUTE Werbung also vom »Was« zum »Wie« zum »Warum« verändert. Entsprechend dem wunderbaren Zitat von Howard Schultz, dem Chairman von Starbucks: »We’re not in the business of filling bellies. We’re in the business of filling souls.«

Stichwort »Nachhaltigkeit«: Kann man heute noch guten Gewissens Werbe-Giveaways wie Kugelschreiber, Feuerzeuge oder Schlüsselanhänger produzieren? In Wirklichkeit ist das alles doch einfach nur Marken-Müll, den kein Mensch braucht.

Ich würde es nicht ganz so absolut sehen. Vielleicht in 80 bis 90 Prozent der Fälle. Manchmal braucht man aber auch solche Dinge. Und wenn du statt des Logos das »Warum« daraufdruckst, und es matcht sich mit der Werte-Welt einer Person, dann trägt die Person das stolz. Ist vielleicht auch nicht viel nachhaltiger, macht dann aber schon mehr Sinn. Ansonsten ist es halt wirklich nur ein billiges Zeugs, das die Umwelt verschmutzt.
Fred Koblinger im Interview

Was waren deine größten Erfolge, was deine größten Misserfolge?

Der größte Erfolg ist sicherlich, nach 40 Jahren, immer noch mit derselben Frau verheiratet zu sein.

Beruflich macht es mich am glücklichsten, dass viele Mitarbeiter nach 30 Jahren, als ich dann aufgehört habe, immer noch in der Agentur waren, oder wieder zurückgekommen sind, und wir als Team durch dick und dünn gehen konnten, weil wir uns wechselseitig vertrauen konnten. Das ist wahrscheinlich der größte Erfolg, dass einem das gelingt. Manche Agenturen benehmen sich unmenschlich gegenüber ihren Mitarbeitern. Funktioniert auch, ist aber nicht meine Welt.

International war der größte Erfolg sicherlich, als ich 2005 Jury-Präsident in Cannes war. Das hat aus Österreich bis dato keiner geschafft, und wird so schnell wahrscheinlich auch keiner mehr schaffen. Nicht weil ich so arrogant bin, sondern weil ich weiß, wie die dort ticken.

Wenn ich die letzten 30 Jahre zurückdenke, hatten wir alle großen »Flagships«, wie die ÖBB, OMV, Austrian Airlines, ORF, Manner und so weiter. Wir haben sie alle gehabt. Und das sehr lange und sehr erfolgreich. Aber auch große internationale Marken, wie Mars, Wrigley, Henkel, Toyota oder McDonald’s.

Das Meisterstück ist dann wahrscheinlich in den letzten vier Jahren gelungen. Die DDB ist damals in Österreich angetreten, um die größte und beste Agentur zu werden. Das war ein fachliches und menschliches Drama von 50 Leuten, die nur gegeneinander gearbeitet haben. Weil: keine Führung und keine Kultur. Kunden hatten sie tolle – Henkel, T-Mobile und McDonald’s. Bis auf McDonald’s haben sie allerdings alle verloren. Da habe ich dann einen Anruf aus New York bekommen mit dem Satz: »Fred, fix it!«. Hab ich gesagt: »Seid’s deppert? Ich habe dort keine Funktion. Das ist eine eigene Firma.« Antwort aus Amerika: »We don’t care. Go there and fix it!« Ich bin dann dort einmarschiert, habe mich von vielen Mitarbeitern getrennt, ehemalige Mitarbeiter von mir zurückgeholt und musste dem letzten verbliebenen Kunden erklären, was gerade passiert. Dass aufgrund guter Arbeit schnell wieder das Vertrauen und die Umsätze gestiegen sind, darauf bin ich schon stolz.

Misserfolge willst du jetzt auch noch wissen?

Wo Licht, da Schatten.

Sogenannte Misserfolge sind immer wichtige Lernphasen, letztlich auch positiv. Mehr weh tun ein paar menschliche Enttäuschungen. Wenn dich jemand, den du förderst, verlässt, noch dazu mit Vorwürfen. Da will ich jetzt aber nicht im Detail darauf eingehen. Partnerschaften sind halt nicht immer ganz einfach.

Ansonsten waren da noch die beiden Krisenjahre 2001 (Anm.: Dotcom-Blase) und 2009 (Anm.: Finanzkrise). Das war aber keine Enttäuschung, das war einfach schwierig. Da habe ich echt schlecht geschlafen. Da war im ersten Halbjahr jeweils tote Hose. Die Amerikaner kommen da sehr schnell und sagen: »Leute entlassen!« Das war für mich nie Thema. Für mich war Thema, den Stamm zu halten, weil ich wusste, es wird wieder weitergehen.

Und natürlich gibt es immer wieder Enttäuschungen, wenn du dich in eine Präsentation reinhaust und den Auftrag dann nicht gewinnst. Wenn du im Nachhinein draufkommst, jemand anderer war besser, ist das okay, dennoch eine Enttäuschung. Wenn du aber draufkommst, dass gemauschelt wurde oder ein Scheiß entschieden wurde, und das passiert leider oft, dann sind das schon Enttäuschungen.
Fred Koblinger gestikulierend im Interview

Du hast mit deinem Team 1995 den Wahlkampf von Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel werblich aufgezogen und ihm dabei das Mascherl ausgezogen und durch eine Krawatte ersetzt. Wie darf man sich das vorstellen? Fred Koblinger sagt Wolfgang Schüssel, er soll das Mascherl niederlegen?

(grinst) Das war eine ganz lustige Szene. Wir sind eingeladen worden zu präsentieren, weil mich jemand bei einem Vortrag gesehen hat. Was sie nicht wussten, war, dass ich aus einer Eisenbahner-Familie komme und tiefrot aufgewachsen bin.

Wir haben die Herausforderung angenommen und uns lange strategisch damit auseinander gesetzt, und folgenden Slogan entwickelt: »Wer Gutes bewahren will, muss manches verändern.« Die Roten haben immer gesagt: »Alles bewahren.« Und die Blauen haben gesagt: »Alles verändern.« Und beides ist nicht gut, weil es gibt ja viel Gutes, aber manches muss man eben verändern.
Wolfgang Schüssel: »Herr Koblinger, sind Sie wahnsinnig?!«

Frei nach dem österreichischen Lyriker Erich Fried: »Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt.«

Genau.

Wir präsentieren also den Slogan und der Schüssel sagt: »Das ist genial, das ist genau meine Denke!« Dann fische ich das Plakat heraus und zeige es ihm. Wir haben ihn darauf mit Krawatte abgebildet. Und auf einmal springt er auf. »Herr Koblinger, sind Sie wahnsinnig?!« Sag ich: »Nein.« Sagt er: »Wie können Sie nur! Sie wissen, dass das Mascherl mein Markenzeichen ist!« Hab ich ihm gesagt: »Ich weiß das, Herr Schüssel. Nur, wenn Sie Kanzler werden wollen, brauchen Sie eine andere Ausstrahlung, eine andere Wirkung. Das ist so, wie wenn sie vom Filialleiter zum Bankdirektor aufsteigen. Da haben Sie eine andere Ausstrahlung, eine andere Wirkung. Das Mascherl ist zwar ihr Markenzeichen, aber ein Markenzeichen kann auch schlecht sein.« Was ich ihm nicht gesagt habe, war, dass das ein nicht so sympathisches Streber-Image war. Wir haben ein anderes Image für ihn gebraucht. Er meinte nur, dass ihm das völlig egal sei und dass das Mascherl bleibt und wie ich überhaupt auf die Idee komme. Dann habe ich ihm gesagt, dass er den Slogan nochmal lesen soll. Wir müssen das, was nicht so gut ist, verändern. Und das, was gut ist, können wir ja lassen. Wir haben die Präsentation schließlich trotzdem gewonnen. Das »profil« hat dann behauptet, dass sie ihm das Mascherl ausgezogen haben. Der Schüssel weiß aber, wie es wirklich war.

Später einmal bin ich mit Schüssel – eine Kampagne im Auto präsentierend, weil er sonst keine Zeit hatte – zum Flughafen gefahren, um den damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl zu empfangen, der Gast bei einer Veranstaltung in der Hofburg sein sollte. Dort war auch das Sujet plakatiert, und Helmut Kohl sagte: »Wissen Sie, Wahlkampf ist meistens etwas Grausiges, aber das hier ist einfach gut.«
»Parteipolitik ist kein Grundsatz«

Wenn du tiefrot aufgewachsen bist, jedoch für die damals Schwarzen Werbung gemacht hast: Muss man manchmal in der Werbung, wenn man einen Auftrag haben will, gegen seine Grundsätze agieren?

Keiner muss etwas tun. Parteipolitik ist ja kein Grundsatz. Mein Grundsatz lautet, dass ich ein humanistisch sozialer Mensch sein will. Das hat aber nichts mit Parteipolitik zu tun. Das ist wie mit der Religion. Du kannst religiös sein, wenn du aber in die Religionen reinschaust, siehst du sehr viel Blödsinn und Unsinnigkeiten, die durch nichts gerechtfertigt sind, um irgendein Ziel zu erreichen. Das ist ja keine Grundhaltung. Aber natürlich erlebst du in der Arbeit manche Dinge, die dir echt gegen den Strich gehen.

Sollen wir für Tabak Werbung machen oder für Alkohol? Ja oder nein? Wo fängt es an, wo hört es auf? Ist schwierig, aber letztlich sind wir ja kein Sozialverein. Wenn wir es nicht machen, macht es ein anderer. Zucker ist schlecht. Soll man dann für Manner Werbung machen? Sollst du für Fetzen Werbung machen, wenn dafür Menschen in Asien ausgenützt werden? Also, wenn du so denkst, dann musst du eigentlich die Branche verlassen. Was sicher undenkbar gewesen wäre: extremistische Werbung. Da gibt es politische Dinge im Wahlkampf, die nicht den eigenen Werten entsprechen.

Wenn du davor weißt, worauf du dich einlässt, kannst du entscheiden, ob »ja« oder »nein«. Wenn du schon mittendrin bist, ist es sicher schwieriger. Schließlich trägt man auch Verantwortung für 80 Mitarbeiter.

Es ist schwer vorzustellen, dass sich ein umtriebiger Mensch, wie ein Fred Koblinger, zur Ruhe setzt. Hat dich abseits der Werbung eine andere Branche gereizt? Wird in der Pension eine Zweitkarriere gestartet?

Ich wollte nach dem Studium unbedingt in der Ski-Branche anheuern. Ich war Skilehrer in Wagrain, bin internationale Studenten-Ski-Rennen gefahren und wollte bei Atomic im Marketing arbeiten. Ich habe mich auch beworben und bin eingeladen worden. Der damalige Geschäftsführer, ein Dr. Köck, meinte, dass ich eigentlich alles erfüllen würde. Einheimischer, der gerne Ski fährt, mit Wirtschaftsstudium. Er hat mich dennoch nicht genommen, mit der Begründung, dass es in der Firma nur einen Doktor gibt, und das ist er. Das war meine erste Erfahrung in den Berufseinstieg. (lacht) Damals war ich enttäuscht, heute bin ich sehr froh darüber.

Und zur zweiten Frage: weder Pension noch Unruhestand. Ich habe der Werbung alles zu verdanken. In einem erfüllten Leben denkt man nicht an die Pension, wie halt der typische Österreicher – mit 40 geht der Countdown los. Ich versuche in einer »höheren Sphäre« der Marken- und Managementberatung weiterzufliegen. Aber mit weniger zeitlichem Einsatz.
Fred Koblinger im Interview

Zum Abschluss: Was willst du jungen Leuten, die in der Kommunikationsbranche tätig sind oder vielleicht gerade beginnen, mit auf den Weg geben?

Dass sie alles, was sie glauben, was dort stattfindet, sofort wieder vergessen sollen. Das ist mittlerweile ein beinharter Job mit vielen Überstunden und wenig Dank. In der Kreation, aber noch härter in der Beratung. Du kannst es den Kreativen nicht recht machen, und den Kunden auch nicht. Was ich ihnen rate: »Geht nicht in eine Agentur!« So erkennst du schnell die, die nur möchten, und die, die es wirklich wollen. Nur denen rate ich: »Geht in eine Agentur!« Wichtig war mir immer zu spüren, ob jemand in der Lage ist, eine Persönlichkeit zu werden. Die meisten haben mit 20 ja keine. Mit 30 auch noch nicht. Aber: Ist die Person in der Lage, eine zu werden?

Ansonsten: Bleibt ständig neugierig, »and follow your dreams«. Meine Eltern haben zu mir gesagt: »Du hast keine Chance, aber nütze sie!« Wenn du als Eisenbahner-Bua aus Bischofshofen nach Wien gehst, um zu studieren, brauchst du schon mal einige Zeit, bis du was kapierst. Ich war fleißig, aber nicht der Selbstbewussteste. Das ist aber auch eine Selbsterziehung. Heute liebe ich es, in Cannes im Palais zu stehen und vor 5.000 Leuten eine Rede zu schwingen. Aber angeboren war mir das nicht. Das war harte Arbeit. Jeder kann das schaffen, aber man muss es wollen. Die meisten jungen Leute möchten gerne, aber nur die wenigsten wollen. Erfolg liegt im Unterschied zwischen »möchten« und »wollen«.

Lieblings-

Buch: Drachenläufer (Khaled Hosseini)
Film: Asphalt-Cowboy
Song: Emmenez-moi (Charles Aznavour)
Schauspieler/in: Omar Sy in »Ziemlich beste Freunde«. In dem Film war er großartig!
Motto: Ich kann alles können, ich muss nichts mehr müssen!
Autor/in: Yuval Harari
Serie: Gar keine! Ich bin ein Serien-Verweigerer. Das ist ja das Vertrotteltste heute, dass sich Leute nächte- und tagelang vor der Glotze eine Serie anschauen. Das ist vergeudete Zeit. Eine geht ja, aber wenn das dauernd der Fall ist … schade um das Leben.
Stadt: Paris
Land: Die Bretagne, auch wenn es nur eine Provinz ist. Aber meine Frau kommt von dort her.
Gericht: Fruits de Mer
Getränk: Guter Rotwein

Persönliches Mitbringsel

Es unterstreicht das, was wir heute die ganze Zeit besprochen haben. Eine kleine Weltkugel aus Glas. Die steht seit 30 Jahren auf meinem Schreibtisch. Ich habe nie darüber nachgedacht, warum die dort steht. Dennoch ist sie ein Symbol für zwei Dinge. Erstens: Österreich ist zu klein. Zweitens: Ich reise gerne.

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: Die Geburt meines dritten Enkelkindes. Da gibt es gar keine Diskussion!
Negativstes: Ich habe mitten in einem Golfturnier solche Rückenschmerzen bekommen, dass ich aufhören musste. Erstens tut das weh und zweitens meldet sich das Alter. Dieses Bewusstsein ist nicht immer schön.

Berufswunsch als Kind

Ganz im Ernst? Bundespräsident!

Wen wolltest du immer schon einmal treffen?

Den Gründer und Eigentümer von Interhome. Dort war ich Österreich-Geschäftsführer in den 80ern. Er ist leider verstorben. Er war mein beruflicher Lebensmensch, in der Konsequenz der Handlungen. Den würde ich gerne wieder treffen, aber nicht im Jenseits. Da möchte ich jetzt nicht hin.

Teenie-Schwarm

Françoise Hardy

Restaurant-Bestellung

Haus-Limo und Marillenfleck

Ort des Interviews

Lingenhel
Das Lingenhel befindet sich auf der Landstrasser Hauptstraße im dritten Wiener Gemeindebezirk und bezeichnet sich selbst als »Genuss-Oase, Feinschmecker-Treffpunkt, Käse-Erlebniswelt und urbane Lebensmittel-Werkstätte in einem«. Bei so viel werblichem Pomp könnte man fast skeptisch werden. Doch wer einmal im Lingenhel war, weiß, dass nicht zu viel versprochen wird. Ob Käse oder Kuchen, Wein oder Kaffee, Brioche oder Baguette – die Qualität stimmt! Und wem das Genießen zu wenig ist, der kann sich vor Ort für einen Käserei-Kurs anmelden, um bei den ersten Schritten zum eigenen Käse an der Hand genommen zu werden. Bon appétit!